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Goldbrokat

Titel: Goldbrokat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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»Zur ewigen Lampe« galt als ein Treffpunkt der Kölner Gesellschaft, vereinzelte Geschäftsetablissements wechselten mit gepflegten Wohnhäusern. Doch als er ein Stück weiter ging, zwang ihn ein Zaun, das Trottoir der anderen Straßenseite zu benutzen. Hinter diesem Zaun ragte die verkohlte Ruine eines großen Gebäudes auf. Mit wohligem Entsetzen betrachtete er das Trümmerfeld, und als ein Passant grüßend vorbeischlenderte, fragte er mit einer höflichen Verbeugung und leichtem französischem Akzent, welch entsetzliche Katastrophe sich hier abgespielt habe.

    »Ah, der Herr ist nicht von hier?«
    »Nein, Monsieur. Ich bin eben erst aus Lyon eingetroffen.«
    »Nun, dann werden Sie es sicher besonders bedauerlich finden, was hier geschah. Unser Schauspielhaus wurde ein Opfer der Flammen.«
    »Mon dieu!«
    »Schlimm, sage ich Ihnen, sehr schlimm. Durch das fahrlässige Verhalten des Theaterkastellans und des leichtsinnigen Feuerwerkers Deutz ist das Unglück verursacht worden, wie wir inzwischen wissen.«
    »Wann ist das passiert?«
    »Vergangenen Monat, in der Nacht vom 22. zum 23. Juli. Es hat Opfer gegeben, aber wie viele, kann ich Ihnen nicht sagen.«
    »Ein böser Verlust für die Stadt, nehme ich an.«
    »Natürlich. Obwohl die anderen Etablissements jetzt davon profitieren. Stollwercks Vaudeville in der Schildergasse beschäftigt die Akteure weiter und wird so gut besucht wie nie zuvor. Auch die kleineren Theater haben großen Zulauf. Wenn Sie leichte Unterhaltung suchen, kann ich Ihnen sehr den Salon Vaudeville an der Burgmauer empfehlen.«
    »Ich bin Ihnen zu Dank verpflichtet, Monsieur!«
    Charnay verbeugte sich noch einmal, und der Passant setzte seinen Weg fort. Er selbst blieb noch eine Weile nachdenklich vor der Brandruine stehen. Feuer! Reinigendes Feuer hatte hier gewütet und eine Brutstätte des Lasters vernichtet.
    Dann aber schwang er seinen Spazierstock und ging weiter, auf der Suche nach einem Quartier.
    In der Komödienstraße fand er nichts, das seinen Vorstellungen entsprochen hätte, am Neuen Markt verbarg sich hinter einer noblen Adresse eine heruntergewirtschaftete Bleibe, aber bei Cäcilien, in der Nähe des Bürgerhospitals, überraschte ihn eine Pensionswirtin mit einem angenehmen Appartement. Die zwei Räume, die auf der Rückseite ihres Hauses lagen und den Blick über die gepflegten Gärten der Nachbarschaft erlaubten,
waren gemütlich, wenn auch nicht elegant eingerichtet, und genügten seinen Zwecken. Die Wirtin berichtete, einer der Ärzte des Hospitals hätte es vor kurzem aufgegeben, da er geheiratet und eine größere Wohnung bezogen habe. Sie war bereit, ihm die Räume zu einem moderaten Preis zu vermieten.
    »Ich bin ohne Bedienung angereist, Frau Wirtin. Besteht Hoffnung, dass ein Mitglied Ihres Personals stundenweise die Pflichten eines Kammerdieners übernehmen könnte?«
    »Ich fürchte, mein Hausknecht wird Ihren Ansprüchen nicht genügen, gnädiger Herr.Aber der Herr Doktor hatte einen Diener, den er, soweit ich weiß, nicht in sein neues Heim mitgenommen hat.Wenn Sie möchten, frage ich drüben im Hospital nach, was aus ihm geworden ist.«
    »Das wäre sehr entgegenkommend, Frau Wirtin. Wann könnte ich die Räume beziehen?«
    »Wenn Sie sie wollen, in zwei Tagen, gnädiger Herr.«
    Nachdem dieses Arrangement zufriedenstellend vereinbart worden war, bedachte Charnay seine nächsten Schritte.
    Bisher hatten sich seine Besuche in Köln auf geschäftliche Kontakte beschränkt, er hatte mit den Abnehmern seiner Rohseide verhandelt, insbesondere zwar mit Wever, aber noch einigen Kleinunternehmern, die Bourret- und Flockseide verwendeten, um sie mit anderen Fasern wie Baumwolle oder Leinen zu verspinnen. Er hatte seine Mahlzeiten im Hotel eingenommen und abends die gängigen Unterhaltungsetablissements besucht. Diesmal aber wollte er am Gesellschaftsleben der Stadt teilnehmen, und dazu bedurfte es einer Einführung in die besseren Kreise. Er machte sich nicht gerne von anderen abhängig, das widerstrebte seiner ganzen Natur, aber hier war ein Kompromiss vonnöten. Ein Herr niedrigen Adels war ihm seit dem letzten Aufenthalt verpflichtet, da er dem Mann nach einem vernichtenden Hasardspiel die Spielschuld gestundet hatte. Er stattete ihm einen Besuch ab und wurde wohlwollend, wenn auch ein wenig misstrauisch empfangen. Der Grund war ihm selbstverständlich klar. Noch immer stand ein Teilbetrag der damaligen
Schuld offen, und der leichtsinnige Herr vermutete, dass er um

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