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Goldbrokat

Titel: Goldbrokat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Einlösung ansuchen würde.Aber trotz seiner eigenen finanziellen Schwierigkeiten betrachtete Charnay die Summe als Investition, indem er großzügig darauf verzichtete. Stattdessen bat er darum, bei einer der nächsten größeren Geselligkeiten den derzeit in der haute volée bedeutenden Damen und Herren vorgestellt zu werden.
    Der Spieler war mehr als bereit, ihm diese Gefälligkeit zu gewähren, und schon hatte er für den kommenden Samstagabend eine Einladung in das Haus des Posamentierwarenhändlers Belderbusch. Eine musikalische Soiree war anberaumt, was ihn nicht gerade glücklich stimmte, denn Musik konnte er nicht besonders viel abgewinnen. Der Geschäftsmann aber konnte ihm sogar von Nutzen sein, möglicherweise war auch er ein potenzieller Abnehmer seiner minderwertigeren Seidenqualitäten.
    Aber bis es zu dem Besuch kam, machte Charnay Bekanntschaft mit einem ganz besonderen Original. Kaum hatte er zwei Tage später den Hoteldiener fortgeschickt, der seine Koffer in das gemietete Appartement getragen hatte, klopfte auch schon ein etwa fünfzigjähriger, untersetzter Mann an die Tür und stellte sich als Fritz Kormann vor. Zwar war Charnay mit dem kölschen Idiom noch einigermaßen vertraut, aber er musste den Mann dennoch auffordern, sich etwas verständlicher zu artikulieren. Damit erfuhr er dann allerdings, dass dieser bereit war, sich um alle Bedürfnisse des Herrn zu kümmern – sei es das Putzen der Stiefel, die Pflege der Wäsche, sei es Barbieren oder Badewasser schleppen, oder sei es das Vermitteln nützlicher oder delikater Dienstleistungen und Adressen.
    Charnay hörte sich den Sermon an und gab danach nur kurz die Anweisung, seine Effekten auszupacken und einzuräumen. Dann möge Kormann ihm einige Auskünfte einholen. Sollte das zu seiner Zufriedenheit geschehen sein, könne man über Lohn und Beschäftigungszeitraum verhandeln.
    Der Mann mochte ja ein Schlitzohr sein, aber er kam seinen Pflichten in bewundernswerter Weise nach, und außerdem
machte er einen recht gepflegten Eindruck, was für den Diener eines Herrn nicht unwichtig war. Daher wurden sie bald handelseinig.
    Am darauffolgenden Tag war Charnay also nicht nur mit gestärktem und perfekt gebundenem Halstuch, frisch gebürstetem und gebügeltem Abendanzug und sauber rasiert bereit, sich der vornehmen Welt zu stellen, sondern hatte auch allerlei Wissen über die Gastgeber erhalten. Sein Bekannter kam seiner Verpflichtung auf gewandte Weise nach und stellte ihn als erfolgreichen Seidenzüchter vor, der nicht nur geschäftlich in Köln weilte, sondern auch die romantische Rheinlandschaft zu seiner eigenen Erbauung und Erholung genießen wolle.
    Die Dame des Hauses nahm ihn unter ihre quasten- und troddelngeschmückten Fittiche und machte mit ihm die Runde. So lernte er, schon bevor die ersten Musiker ihre melodischen Kunstwerke präsentierten, ihre Schwester, eine Edle von Schnorr zu Schrottenberg, kennen, den Kapellmeister Cremer, einen spitzbäuchigen Herrn mit rosigem Schädel, den Appellationsgerichtsrat Sachsenhausen, ein Mitglied der Familie DuMont, die im Verlagswesen tätig waren, ein Bankiersehepaar und einen Herrn aus dem Gürzenich-Orchester. Während dann die erste musikalische Darbietung die Unterhaltung verstummen ließ – eine Dame am Klavier spielte etwas, das sie als Nachtmusik bezeichnete -, zog Charnay eine kurze Bilanz.Weder die Beziehungen zu einem Appellationsgerichtsrat noch zum Kapellmeister, weder die zum Verlagswesen noch zum Gürzenich waren für ihn von Interesse, Bankiers musste man sich immer warmhalten, die Beziehungen zum Adel waren ebenfalls nützlich. Außerdem regte etwas an der ätherisch auftretenden Edlen seine Phantasie an. Sie mochte um die vierzig sein, prüde, aber von romantisch verklärtem Gemüt. Aber nein, mahnte er sich, es war noch nicht der Zeitpunkt für Belohnungen. Dennoch suchte er, als der Applaus für die Klavierspielerin verklungen war, wieder ihre Seite auf. Eine rundliche, weit kleinere Dame hatte sich zu der Edlen gesellt, und er erfuhr, dass es sich um die
Witwe des längst verstorbenen Professors Elenz handelte.Witwe Elenz gluckste wie ein aufgeplustertes Huhn und himmelte ihn doch tatsächlich an. Ein herbes Schlachtross von starkknochiger Gestalt gab sich unaufgefordert als Georgina von Groote zu erkennen und zeigte bei einem höflichen Lächeln eine Unzahl gelblicher Zähne.
    Zwei unnötige Bekanntschaften, aber man musste ja höflich sein. Konversation zu machen

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