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Goldbrokat

Titel: Goldbrokat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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einigen Jahren ihre verwitwete Nichte mit zwei kleinen Kindern ganz selbstlos bei sich aufgenommen. Den letzten Groschen hat sie geopfert, um ihnen ein ordentliches Heim zu geben. Und dann hat sie diese Frau schamlos ausgenutzt. Schlimm, sage ich Ihnen, schlimm. Dieses unerzogene Weib hat ihr so viele Sorgen bereitet. Dabei waren wir anfangs alle so nett zu ihr und haben sie mit offenen Armen in unseren Kreisen aufgenommen. Aber hat sie es uns gedankt? Nein, Herr de Charnay. Sie hat keine Gelegenheit ausgelassen, sich gesellschaftlich danebenzubenehmen.«
    »Wie entsetzlich für die arme Frau Elenz.Wohnt diese Nichte denn noch immer bei ihr? Das muss doch recht unbequem für sie sein.«
    »Ach nein, das Elend hat ja nun endlich ein Ende gefunden.
Nachdem diese unmögliche Figur uns alle im vergangenen Herbst noch einmal richtig düpiert hat, hat Caro sie schließlich rausgeworfen. Nur die armen Kinder sind noch bei ihr. Da sehen Sie, was für ein weites Herz meine liebste Freundin hat.«
    »Wirklich großmütig von ihr, keine Frage. Und wie fristet nun ihre Nichte ihr Leben?«
    »Ach Gottchen, ja, sie hat so eine kleine Flickschneiderei aufgemacht, mit der sie sich über Wasser hält. Und wie es scheint, poussiert sie mit einem Seidenweber herum. Sie sucht jetzt vermutlich ein anderes weiches Nest, in das sie sich legen kann.«
    »Es gibt schon sehr eigensüchtige Personen, Frau von Schnorr.«
    »Diese Ariane Kusan gehört ganz bestimmt dazu. Na gut, soll sie sich mit ihrem Weberknecht vergnügen«, die Edle kicherte gehässig ob diesen Wortspiels, »in unseren Kreisen wird sie jedenfalls nicht mehr empfangen.«
    Ein Hauch von Fischgeruch und Eau de Cologne wehte Charnay bei diesen letzten gehässig gezischten Worten an, und er zerkrümelte den Rest seines Brotes auf dem Teller.
    »Darf ich Ihnen ein Glas Champagner besorgen, Madame?«
    »Ach, für mich nicht. Aber bedienen Sie sich ruhig, Belderbusch ist sehr großzügig mit den geistigen Getränken.«
    Er entfernte sich erleichtert, aber auch erfreut über die Menge an Neuigkeiten, von ihr, um sich an einer Tasse dünnen Tees zu laben. Es folgten kurz darauf noch zwei weitere musikalische Intermezzi, dann löste sich, kurz vor Mitternacht, die Gesellschaft allmählich auf.
     
    Charnay beschloss, zu Fuß durch die warme Augustnacht zu seiner Unterkunft zu gehen. Er brauchte Bewegung, der Abend war anstrengend für ihn gewesen. Zum Glück hatte sich das nervöse Zucken seines Gesichts in der letzten Zeit sehr gemildert. Das mochte daran liegen, dass er eine gewisse Zufriedenheit verspürte. Ja, zufrieden war er, trotz der angespannten finanziellen Lage, in der er sich befand. Rationalist, der er war, versuchte
er, während er die von Gaslaternen erhellten Straßen entlangging, zu analysieren, woher dieses ungewohnte Gefühl rührte.
    Vielleicht war die Begegnung mit seinem düsteren Elternhaus ein Grund, denn das hatte ihm gezeigt, wie weit er sich von seiner erbärmlichen Kindheit entfernt hatte. Er war heute jemand, er wurde in den ersten Kreisen empfangen, er besaß riesige Ländereien, ein großes, wohleingerichtetes Haus, einen guten Leumund als Geschäftsmann. Er konnte stolz auf sich sein, denn er hatte sich zielstrebig nach oben gearbeitet, war von einem Lehrling im Seidenhandel zu einem Fachmann in der Seidenzucht geworden, er hatte ein gutes Gespür für Chancen und Möglichkeiten entwickelt und hatte sie immer und konsequent genutzt. Er hatte auch seine Unruhe und seinen Jähzorn ausgezeichnet unter Kontrolle gebracht, hatte sich mit eiserner Disziplin selbst erzogen und erlaubte sich nur dann und wann eine Belohnung zu genießen, die ihm daher auch jedes Mal besonders großen Genuss bereitete.
    Sein Vater, der ihn tagaus, tagein kujoniert hatte, war tot, seine jämmerliche Mutter war ihm bald gefolgt, der Lehrmeister Dufour, der versucht hatte, seinen Willen zu brechen, war zu seinem Schöpfer gegangen, und die zwei Männer, die sich an ihn aus jener Zeit erinnerten und die ihn deswegen unbarmherzig gedemütigt hatten, waren ebenfalls zu Staub geworden. Nur die Witwe Kusan blieb noch als Verbindungsglied zu jener unrühmlichen Vergangenheit. Und wie es schien, hatte er schon an diesem Abend das große Los gezogen. Die Edle von Schnorr zu Schrottenberg würde ihm eine hervorragende Verbündete sein. Offensichtlich war ihr die arrogante kleine Hexe schmerzhaft auf die Zehen getreten. Auch Witwe Elenz konnte von Nutzen sein. Über sie galt es natürlich

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