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Goldbrokat

Titel: Goldbrokat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Persönlichkeiten.«
    »Na, dann weißt du ja, wie du dich Ariane gegenüber zu verhalten hast. Ich jedenfalls fand sie bewundernswert, als ich sie im Frühjahr besuchte.«
    »Die Mutter Ihrer Kinder muss eine seltsame Frau sein.«
    »George, sie ist im Jahr des eisernen Tigers geboren. Das könnte dir eine Vorstellung verschaffen, wie seltsam sie ist.«

    »Eiserner Tiger, das trifft’s für Ariane. Ist das so etwas wie ein Sternzeichen?«
    »Eines aus der chinesischen Astrologie. Du wirst es nicht glauben, Leander, aber mein Geburtsjahr war das des eisernen Drachen.«
    »Was sonst?«
    Wieder flog Leanders Stift über das Papier, und diesmal erlebte Drago etwas Erstaunliches. Der ernste, immer so gefasste George begann zu kichern, als er den Drachen mit Dragos Zügen erkannte.
    »George ist im Jahr des Feueraffen zur Welt gekommen. Man sagt ihm Ehrgeiz und Geschäftstüchtigkeit nach, was ich bestätigen kann, genau wie Sprachbegabung. Aber die vermeintliche Geschwätzigkeit habe ich bei ihm noch nicht festgestellt.«
    Ein langer, musternder Blick, dann hatte Leander einen Affen gezeichnet, der dem jungen Halbchinesen ähnlich sah, sich aber die Hand vor den Mund hielt.
    Um sein Kichern zu unterdrücken, nahm George augenblicklich dieselbe Pose ein.
    »Leander, du bist ein Genie. Ich spreche leidlich Chinesisch und ziemlich gut Englisch, aber in beiden Sprachen fehlt es mir an den wirklichen Feinheiten, um zum Beispiel einen Witz verständlich zu machen. George spricht Englisch ganz hervorragend und hat in den vier Monaten der Reise sehr gut Deutsch gelernt. Aber wir können uns nur über Fakten unterhalten, die Finessen unserer jeweiligen Muttersprachen bleiben uns fremd. Und gerade die braucht man, um sich wirklich verständlich zu machen, habe ich gerade eben gelernt.«
    »Ja, Cousin Drago, manchmal möchte ich Ihnen mehr sagen. Manchmal mahnen vor höflichen Feinheiten. Manchmal sagen, was lustig ist.« Er verbeugte sich leicht vor Leander. »Haben Sie bitte einen Pinsel und Tusche für mich, Leander dashi? «
    »Bedien dich, nebenan findest du allerlei Zeichenutensilien.«
    George verließ den Raum, und Leander fragte: »Was ist dashi ?«

    »Ein dir offensichtlich zustehender Titel, Meister Leander. Deine Bilder beweisen Stil und Ausdruck.«
    »Oh, mhm.«
    Leanders Verlegenheit schwand, als George mit einem dünnen Pinsel und einem Tintenfass zurückkehrte. Er reichte ihm den Skizzenblock und beobachtete die ungewohnte Haltung, mit der der Halbchinese den Pinsel führte. Die war Drago zwar durchaus geläufig, denn auf diese Art wurden auch die Schriftzeichen zu Papier gebracht. Was ihn aber erstaunte, war die Zeichnung, die dabei entstand. Mit sparsamen Strichen war eine Tigerin entstanden, die Arianes Züge trug. Eine mütterliche Raubkatze, bereit zu schnurren und zu töten.
    »Allmächtiger, George, woher kennst du meine Schwester?«, entfuhr es Leander.
    »Sie zeichnen sie eben, Leander dashi , und Cousin Drago sagt, sie ist die eiserne Tigerin und die Mutter seiner Kinder. Sie hat Mut bewiesen und die Kinder alleine erzogen. So muss sie sein, oder?«
    »So ist sie, meine Tigerin.«
    »Dann verstehe ich Sie, Cousin Drago.«
    Der starrte noch immer auf das Bild und versuchte, seiner Gefühle Herr zu werden. Sie waren verworren, und es würde eine Weile dauern, bis er sie geordnet hatte. Nicht jetzt jedoch, sondern in einem Moment der Muße.
    »Du scheinst ebenfalls verborgene Talente zu haben, George. Darum sollten wir uns demnächst mal kümmern. Aber jetzt, Leander, zeig uns doch mal deine Gemälde, wenn ich schon eins davon kaufen soll.«
     
    Drago fand Gefallen an sehr vielen Werken und hörte sich auch die kleinen Anekdoten an, die mit vielen von ihnen verbunden waren. Insbesondere die Bilder, die in Köln ausgestellt worden waren, bargen für ihn eine reizvolle Geschichte. So erfuhr er auch von Helenens Eitelkeit, dem Dummejungenstreich, den Leander der Dichterfürstin gespielt und die Schwierigkeiten,
die er Ariane bereitet hatte. Er hörte erfreut, dass seine Tochter gerne malte und Zeichenunterricht erhielt, dass Ariane ebenfalls ihre zeichnerische Begabung nutzte und Stoffmuster entwarf, sein Sohn sich hingegen lieber mit technischen Konstruktionen beschäftigte.
    »Diese Bilder sind anders als chinesische, nehme ich an?«, fragte Leander, an George gewandt, um ihn wieder ins Gespräch mit einzubeziehen.
    »Ja, diese sind viel … voller. Unsere Künstler sehen anders. Nur das Wesentliche, die

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