Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Goldbrokat

Titel: Goldbrokat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
Vom Netzwerk:
dir je erzählt, auf welche Weise wir uns getrennt haben?«
    »Du hast deine Erbschaft angetreten und sie ohne Unterstützung sitzen gelassen. Das zu wissen reicht mir.«
    »Dann will ich deine Meinung nicht ändern.«
    Leander ging ins Atelier zurück, kam aber mit leeren Händen wieder.
    »Sie ist ein Feuerkopf, ich weiß. Wenn sie etwas durchsetzen will, kann sie sehr heftig werden.«
    »Sie wollte ihre Freiheit, um sich einen neuen Mann suchen zu können.«

    Drago hörte, wie George scharf die Luft einsog.
    »Ja, mein Junge, das ist auch so eine Sache, die dir fremd erscheinen muss.«
    »Können deutsche Frauen zwei Männer haben?«, stieß er fassungslos aus.
    »Nicht gleichzeitig, aber nacheinander.«
    »Aber man achtet diese Frauen nicht sehr hoch, George. Darum hat meine Schwester behauptet, sie sei Witwe.«
    Drago sah dem unerschütterlichen George Liu an, dass er mit dieser Neuigkeit ernsthaft zu kämpfen hatte. Seine Vorstellungen von Ehre, Respekt und Achtung waren anders geartet als die seinen, das wurde ihm, seit sie im Westen waren, immer wieder aufs Neue bewusst.
    »Hat sie wieder geheiratet?«
    Leander sah fragend zu George hin und hob dann mit nach oben gedrehten Handflächen die Schultern.
    »Drago, im April erhielt sie durch Zufall die Nachricht von deinem Tod. Ein Schiffsoffizier hatte von einem Handelsherrn namens Drago Kusan gehört, der sich und seine Geliebte mit Opium vergiftet hat.«
    »Meine Schwester wollte Cousin Drago umbringen. Sie ist gestorben, er wurde gerettet.«
    Ganz nüchtern zählte George die Tatsachen auf, und Leander zeigte nun sein Entsetzen.
    »Das … das tut mir leid.«
    »Du siehst, Leander, die Geschichten haben viele Facetten.«
    »Ja.Verstehe.Warum habt ihr euch getrennt, Ariane und du?«
    »Aus verschiedenen Gründen, Leander, und selbstverständlich liegt ein Großteil der Schuld bei mir. Ich hätte nicht nach Braunschweig gehen sollen, aber damals bot es sich an. Mein Vater hatte einen Bekannten, den er, wie ich hinterher erfuhr, gebeten hatte, mich in seine Anwaltskanzlei aufzunehmen. Mein Vater hat gerne mein Leben gestaltet. Aber das ist eine andere Geschichte. Wir zogen dorthin, und damit fingen die ersten Auseinandersetzungen an. Eure Eltern hatten Ariane eine Mitgift
versprochen, doch sie waren damals schon in finanziellen Schwierigkeiten.«
    »Ja, ich erinnere mich. Zwei verregnete Sommer, die Ernte war knapp ausgefallen,Vater verbrauchte fast alles selbst, um die Pferde zu halten.«
    »Sie zahlten mir nur die Hälfte aus, mit der Versicherung, Ariane in zwei Jahren die andere Hälfte zu übergeben. Mein Gehalt war bescheiden, meine Ansprüche hoch, Ariane leichtsinnig. Es war immer Ebbe in der Kasse, und als ich merkte, dass uns die Situation zu entgleiten drohte, besann ich mich auf meinen Verstand. Ich führte Sparmaßnahmen ein.«
    »Und Ariane schmollte?«
    »Nein, sie schmollte nicht. Im Gegenteil, nachdem sie das Problem begriffen hatte, legte sie die Hand auf die Finanzen und ich wurde in ihren Augen zum Verschwender. Wir stritten leidenschaftlich über jede mögliche oder vermeidbare Anschaffung. Dann baten eure Eltern noch einmal darum, die Zahlung der Mitgift aufschieben zu dürfen, und unsere nächste Hoffnung schwand. Ende einundfünfzig kam die Nachricht von Servatius’ Tod, und ich war plötzlich ein reicher Mann. Wenn ich denn nach China ging und seinen Anteil an der Firma übernahm.«
    Drago wies auf die Zeichnungen der Kinder.
    »Sie waren noch zu klein, Leander. Ich wusste nicht, was mich in der Fremde erwartete. Also sagte ich Ariane, dass ich erst einmal alleine aufbrechen würde. Damals dauerte die Seereise über ein halbes Jahr.«
    »Ich fange an zu verstehen, Drago. Du hättest sie mindestens zwei Jahre alleine gelassen.«
    »Mindestens. Richtig. Sie fasste es als meinen Versuch auf, der bedrängten Lage zu entfliehen. Natürlich hatte ich mich oft genug über die langweilige Arbeit in der Kanzlei beklagt, meine Korinthenkacker von Vorgesetzten und die kleinbürgerliche Gesellschaft Braunschweigs waren auch nicht sonderlich anregend. Ich wollte fort.«
    Leander seufzte.

    »Ich kann es ja verstehen. Ich bin auch einfach so von daheim fortgegangen, weil ich unbedingt in Paris Kunst studieren wollte. Mich hätte auch niemand halten können.«
    »Ich ließ ihr alles Geld, was ich hatte, und willigte in die Scheidung ein, die sie verlangte. Dann brach ich auf.«
    Leander nahm den Skizzenblock, der auf der Anrichte lag, und zeichnete

Weitere Kostenlose Bücher