Goldbrokat
auf.
»Darf ich Sie zu einer kleinen Erfrischung überreden, Ariane?«
Ich nickte und nahm den mir gereichten Arm. Seit unserem turbulenten Erlebnis auf dem Rhein waren wir uns ein wenig näher gekommen, was sich in der vertraulichen Anrede und gelegentlichen Handküssen manifestierte. Und jetzt einem Anfall von leichter Eifersucht, wie ich vermutete.
»Herr Marquardt ist ein ausgezeichneter Tänzer, nicht wahr?«
Ich nahm ein Glas Champagner von einem Tablett.
»Ja, Gernot, das ist er. Auch ein witziger Plauderer, ein Adonis und ein Windhund.«
Gernot lächelte nicht.
»Sie mögen ihn.«
»Welche Frau mag einen solchen Mann nicht? Aber könnten Sie sich vorstellen, dass Bernd Marquardt ein Segelboot mieten würde, um meinen Kindern und mir eine Freude zu bereiten?«
Jetzt lächelte er plötzlich doch wieder.
»Nein, meine Liebe, das glaube ich nicht. Könnte es sein, dass Ihnen das mehr imponiert als pikante Komplimente?«
Ich ließ meinen Fächer aufspringen und sandte ihm einen glühenden Blick über den Spitzenrand. Das wiederum brachte ihn zum Erröten. Gernot Wever war ein etwas schwerfälliger Flirt, ungemein berechenbar und sehr zuverlässig. Ich mochte ihn. Wie sehr – da war ich mir allerdings noch nicht sicher. Aber verderben wollte ich es mir auf gar keinen Fall mit ihm. Vor allem, seit er mein Stoffmuster wirklich übernommen und mir einen ansehnlichen Preis dafür gezahlt hatte. Das war ein weiterer guter Grund, den nächsten ernsthaften Schritt in die berufliche Selbstständigkeit anzugehen. In den nächsten Tagen würde ich mir einige Räumlichkeiten ansehen, die sich als Atelier eignen könnten. LouLou war mir auch in der Hinsicht behilflich; sie kannte sich in Köln weit besser aus als ich. Den Gewerbeschein hatte ich ohne besondere Schwierigkeiten erhalten und die Gebühren und Steuern bezahlt. In den Behördenangelegenheiten hatte Gernot mir beigestanden, wofür ich ihm ebenfalls dankbar war. Blieb noch eine Hürde – Tante Caro. Sie würde Vapeurs bekommen, Bedenken tragen, schlimmste Befürchtungen äußern und die Welt untergehen sehen. Aber möglicherweise könnte ein Hinweis darauf, dass Gernot mich in der Angelegenheit unterstützte, ihr einigen Wind aus dem aufgeplusterten Federkleid nehmen.
Die Musiker hatten eine Tanzpause angekündigt, eine Anzahl älterer Herren verzog sich erleichtert in die Räume, in denen Spieltische zur Unterhaltung einluden und das Rauchen gestattet war. Julia Masters aber schlenderte wieder auf uns zu und lächelte mir zu.
»Kommen Sie mit, Frau Kusan, Herr Wever, ich würde Sie gerne meinem Vater vorstellen.«
Alexander Masters unterhielt sich mit einigen Herren von der Handelskammer, widmete seiner Tochter aber gleich darauf seine Aufmerksamkeit. Offensichtlich hatte er von Gernot bereits gehört, er begrüßte ihn ausgesucht herzlich.
»Wever, Mülheim, nicht wahr? Eine gut geführte Weberei, hörte ich.«
»Ich versuche, sie nach modernsten Erkenntnissen zu leiten.«
»Begrüßenswert,Wever.Wir beide haben, wenn ich es richtig verstanden habe, recht ähnliche Erfahrungen in unserer Jugend gemacht. Sie müssen wissen, dass ich als Junge einige Jahre in einer englischen Baumwollweberei gearbeitet habe. Manchmal klingeln mir heute noch die Ohren, wenn ich an den Lärm der Webstühle denke.«
»Sie sind leider immer noch laut, Herr Masters, aber ich beschäftige keine Kinder in meinem Betrieb. Sie haben recht, auch ich habe meine Knabenzeit am Webstuhl verbracht, erst am heimischen, dann bei Leyen in Krefeld.«
»Eine harte Schule, aber Sie haben etwas daraus gemacht.«
»Genau wie du, Papa«, sagte Julia und tupfte ihrem Vater mit dem Fächer auf den Arm.
»Meine Tochter versucht wieder einmal Bescheidenheit zu heucheln. Sie ist mitverantwortlich für das Entstehen unserer Fabrik.«
»Schokolade«, warf ich lächelnd ein. »Die allerbeste, die ich je genascht habe. Wenn ich morgen meinen Kindern erzähle, dass ich Sie kennengelernt habe, werden sie mir die Ohren vom Kopf fragen.«
»Und wenn Sie, Herr Masters, diese Kinder zu einer Fabrikführung
einladen, dann werden Sie vermutlich in den Rang eines Flottenadmirals erhoben.«
Manchmal entwickelte Gernot sogar einen feinen Sinn für Humor.
»Das werden wir zu regeln wissen«, versprach Julia, und das Gespräch zwischen den beiden Herren wandte sich produktionstechnischen Fragen zu, während Julia sich nach Laura und Philipp erkundigte. Dann aber schnappte ich ein paar interessante
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