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Goldbrokat

Titel: Goldbrokat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Wortfetzen auf, als Alexander Masters von seinem Besuch der Kakaoplantage seines Geschäftsfreundes Jantzen berichtete. Wie eine winzige Stichflamme schoss in mir die Sehnsucht auf. Trinidad, Südamerika, eine lange Schiffsreise – hatten mich meine Kinder schon angesteckt mit ihrem Fernweh?
    »Wir stellen Luxuswaren her, Wever, und da sind beste Rohstoffe die Voraussetzung. Woher beziehen Sie eigentlich die Seide? Orient? China? Ich bin erschreckend unwissend in dieser Sparte.«
    »So wie ich in Sachen Kakao, Herr Masters. Beste Rohseide kommt noch immer aus China. Aber der Transport ist weit aufwändiger als der über den Atlantik. Selbst die schnellsten Schiffe benötigen noch immer vier, fünf Monate unter günstigsten Bedingungen. Die Reise geht um Indien, um Afrika, die afrikanische Küste entlang bis ins Mittelmeer. Möglicherweise wird es besser, wenn der Kanal am Suez fertig gestellt ist. Bisher jedenfalls würden mir die Transportkosten noch allzu sehr zu Buche schlagen. Aber wir haben in Frankreich und Italien recht ordentliche Seidenzüchter, die zu vertretbaren Preisen gute Qualität liefern.«
    »Sie haben also auch feste Lieferanten, oder wird das Material auf dem offenen Markt gehandelt?«
    »Sowohl als auch, aber ich habe eine feste Geschäftsbeziehung, ähnlich wie Sie, mit de Charnay, einem Seidenzüchter nahe bei Lyon.«
    Ich hatte Mühe, meinen Gesichtsausdruck zu kontrollieren. Mehr als ein Dutzend Gedanken wollten mir durch den Kopf
zucken, aber ich schob sie zur Seite, um mich später damit zu befassen.Wichtiger war es im Augenblick, weiter zuzuhören.
    »… eine Krankheit der Seidenwürmer in den vergangenen Jahren zu Ausfällen geführt, wodurch naturgemäß die Preise ansteigen. Aber Charnay führt sein Unternehmen sorgfältig und hat bisher einen Befall seiner Bestände vermeiden können.«
    »Das ist immer ein Risiko. Auch die Kakaofrucht ist eine empfindliche Diva, und ist erst einmal eine Plantage von einem Pilz oder Ungeziefer befallen, bleibt meist nichts anderes übrig, als sie vollends aufzugeben und neu anzupflanzen. Gerade alte Bestände sind gefährdet, und ich habe die Hoffnung, dass die neuen Versuche, den Kakao in Afrika anzupflanzen, dieses Risiko mindern.«
    Die Musikanten hatten ihre Instrumente wieder aufgenommen, und ich warf einen raschen Blick auf meine Tanzkarte, dann zu Gernot, der sich sehr wohl bewusst war, dass sein Name darauf vermerkt war.
    »Meine Liebe, ich werde Stunden nehmen.Aber heute Abend wollen wir diesen Tanz lieber auslassen«, sagte er mit einem bedauernden Lächeln.
    »Oder Sie übertragen mir die angenehme Pflicht, mit Frau Kusan die Runde zu absolvieren.«
    »Wenn sie einverstanden ist, Herr Masters, gerne.«
    Ich war sehr einverstanden. Alexander Masters war ein geübter Tänzer, das zeigte sich sehr schnell. Wir drehten uns zu den beschwingten Walzerklängen, und ich fragte mich heimlich, warum die weiße Haarsträhne an seiner Schläfe mir so reizvoll erschien. Aber auch diesen Gedanken schickte ich flugs in die Versenkung. Er war mit einer reizenden Dame verheiratet und weiß Gott nicht mehr an mir interessiert, als es sich gegenüber einer netten Tanzpartnerin schickte.
     
    Alles in allem war der Ball, mit dem Albert und Paula Oppenheim ihre Hochzeit feierten, ein erfreuliches Fest, das mir einige Anstöße zum Nachdenken gegeben hatte. Gernot brachte Tante
Caro und mich weit nach Mitternacht nach Hause und verabschiedete sich mit einem beinahe feurigen Handkuss von mir. Nun ja, mehr war in Gegenwart der Schnatterente auch nicht zu erwarten.
    Zum Glück flatterte sie dann auch gleich in ihr Nest, während ich mir noch einen Moment des Resümierens im Salon gönnte. Außer drei kleinen Gläsern Champagner hatte ich den ganzen Abend nichts getrunken und nahm mir ein Glas weißen Wein mit zu meinem Lieblingsplatz am Fenster.
    Charnay – eigentlich kein Zufall. Wenn man mit einem Seidenfabrikanten bekannt war, musste sicher auch mal der Name eines Rohstoffproduzenten fallen, und Charnay war einer der größeren. Er war schon damals, als er um mich angehalten hatte, recht erfolgreich gewesen. Zumindest hatte er den Anschein erweckt. Er war mir unsympathisch gewesen, was natürlich nichts mit seiner Fähigkeit als Seidenzüchter zu tun hatte. Und er war mir damals auch zu alt vorgekommen. Ich war achtzehn, er sechsundvierzig. Ein schlanker, fast knochiger Mann mit sonnengebräunten, hageren Zügen – wie Nona sagte, ein Asket. Nicht

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