Goldbrokat
des Verlagshauses Waldegg und Lindlar eine einflussreiche Position in der Gesellschaft erworben. Eine männliche Schönheit war er bestimmt nicht zu nennen, dazu wirkte sein Gesicht zu ungleich, ja fast wie zweigeteilt. Er wusste es und schob die Schuld launig seinem Vater zu. Auch ansonsten präsentierte er sich als ein höchst amüsanter Plauderer.
»Mein Vater hat sich jetzt endlich vom Geschäft zurückgezogen und ist dabei, seine Memoiren zu schreiben«, berichtete er einem kleinen Kreis von Zuhörern gerade.
»Vom Alter her müsste er interessante Zeiten erlebt haben«, erwiderte ich höflich, da ich einen weiteren verkannten Dichterfürsten witterte.
»Oh, natürlich, Frau Kusan. Sollte dieses umwerfende Werk je fertig werden, werde ich es umgehend veröffentlichen, und das Publikum wird eine Biographie zu lesen bekommen, bei dem einigen vermutlich die Haare zu Berge stehen werden. ›Kreuzbube‹ will er es genannt haben und zankt deswegen ausgiebig
mit meiner Mutter, die manche Passagen seiner wenig ruhmreichen Vergangenheit gerne zensieren möchte.«
Julia kicherte leise dazu.
»Deine Mama wird eher die Passagen zensieren wollen, die sie selbst betreffen, aber das fände ich ausgesprochen schade. Wissen Sie, Frau Kusan, meine zukünftige Schwiegermutter hat ein höchst abenteuerliches Leben als Trossbub geführt.«
»Und mein Vater – deshalb der vielsagende Titel – hat sieben Jahre an der Kette verbüßt.Wegen Falschspielerei. Sie sehen, ein delikates Werk ist im Entstehen.«
Die Leichtigkeit, mit der die beiden über die Skandale der Vergangenheit sprachen, nahm mich sehr für sie ein.
Kurzum, ich unterhielt mich blendend auf dem Ball, und auch Tante Caro schien mit der Welt ausgesöhnt. Obwohl ich sie nicht gerne als Aushängeschild meiner zukünftigen Tätigkeit sehen wollte. Sie hatte sich zu dem festlichen Anlass für eine recht kapriziöse Garderobe entschieden. Ihr eigenwilliges Gewand war aus stark glänzendem Atlas von leuchtendem Blau gefertigt und mit rostroten und orangefarbenen Schleifen geschmückt, und leider hatte sie ihren Fifi auch noch mit einer schillernd grünen Plumage verziert, sodass sie den Eindruck erweckte, als wolle eine Mandarinente als Pompadour auftreten. Sie schnatterte auch unablässig wie dieser Wasservogel und verbreitete vermutlich eifrig Andeutungen, die mich und meinen Begleiter betrafen.
Gernot Wever machte natürlich eine gute Figur in seinem tadellosen Gesellschaftsanzug und hatte auch in diesem Kreis einige Bekannte gefunden, mit denen er, wenn auch etwas steif, Konversation betrieb.
Er hatte sich für zwei Tänze auf meiner Ballkarte eingetragen, aber elegante Bewegung zur Musik gehörte nicht zu seinen größten Begabungen, und so hatten wir den ersten Tanz klammheimlich abgebrochen. Mit Bernd Marquardt hingegen tanzte es sich hervorragend. Aber er war ein Schlingel, ohne Frage. Er flirtete hemmungslos mit mir, doch er brachte mich auch unablässig
zum Lachen mit seinen scharfzüngigen, manchmal sogar ein wenig sarkastischen, aber immer tödlich treffenden Bemerkungen über die Anwesenden. Als unser Tanz beendet war, bemerkte ich Gernots verfinsterte Miene und verabschiedete mich, wenn auch mit Bedauern, aber recht hurtig von ihm. Und schon kam Tante Caro auf mich zugeflattert und zischelte mir mahnend hinter dem Fächer zu: »Ariane, du darfst nicht wieder mit ihm tanzen. Du musst doch auf dein Ansehen achten. Jetzt umso mehr, Liebes. Der Mann hat einen ganz schlimmen Ruf.«
»Ich weiß,Tante Caro. Er ist ein Lebemann, ein Bonvivant...«
»Still, Kind, still.Wenn man dich hört!«
»Ist er, weiß man allenthalben, und sagt man auch. Im Übrigen ist er sehr charmant.«
Ich weiß nicht, Vorwürfe, die mein schickliches Benehmen betrafen, weckten in mir immer eine unbezähmbare Widerborstigkeit. Marquardt war Junggeselle, gut situiert, aus angesehener Familie, gebildet und verdammt gut aussehend. Er bewegte sich lässig in allen Gesellschaftsschichten, denn die Damen der haute volée luden ihn gerne ein, weil er amüsante Unterhaltung versprach, er selbst verbrachte seine Abende aber auch sehr oft im Vaudeville, wo er mit Schauspielerinnen und Tänzerinnen am Arm auftauchte.
»Tante Caro, ich kann selbst auf mich aufpassen. Die Einzige, die hier für Aufsehen sorgt, bist du. Sei so gut und überlass mich meinem eigenen Vergnügen.«
Sie wollte schon wieder anfangen zu gackern, aber ich wurde erlöst, denn Gernot tauchte an meiner Seite
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