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Goldbrokat

Titel: Goldbrokat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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denn eigentlich wollte er wissen, ob Onkel Thomas eine wichtigere Rolle bei der guten Laune spielte, die sie während des ganzen Aufenthaltes gezeigt hatte, aber Laura verdarb wieder alles. Bevor Mama nämlich antworten konnte, sagte sie: »Fräulein Hedwig – bevor sie die Treppe runtergefallen ist, kam sie aus dem Zimmer von Onkel Thomas.« Und dann sah sie Mama ganz komisch an.
    Und Mama murmelte mit ganz komischer Stimme vor sich hin: »Danke, Laura!«
    Frauen!

Das Ende des Nichtstuns
    Halte den Rücken gerade und ruhig wie ein Berg,
Dass die Bewegungen des Herzens dich nicht erschüttern.
Tritt dann in die Welt hinaus
Und erkenne die Ruhe im Bewegten.
     
    I Ging, Ken – der Berg
    Er wanderte durch die Reihen goldbelaubter Maulbeerbäume. Die zweite Seidenernte war abgeschlossen, das Garn gewaschen und von dem stumpfen Klebstoff befreit, den die Raupen verwendet hatten, um ihren Kokon zu festigen. Seifenlauge hatte diese Substanz abgespült, und als das Garn im sanften Sommerwind getrocknet war, schimmerte es wie weißes Mondlicht auf einem unbewegten See. Hochwertigste kaiserliche Seide wurde an die Hofweberei in Suzhou gesandt, um dort gefärbt und verwebt zu werden. Aus dem Brokat wurden dann Hofgewänder genäht und bestickt, die an Pracht ihresgleichen suchten.
    Für ihn war die Seide verschwunden, geblieben waren die Bäume, die sich von der dauernden Ernte ihrer Blätter erholt hatten und die der Herbst nun allmählich verfärbte. Die Raupenhäuser waren gereinigt worden, die Reisighürden verbrannt, die Eier der Seidenspinner sorgsam in Leinentücher gewickelt und gelagert bis zum nächsten Frühjahr, wenn die Maulbeerbäume wieder austrieben.
    Er ging langsam, denn wie so oft taten ihm unzählige Stellen an seinem geschundenen Körper weh. Nie hatte er geglaubt, dass der Weg, den er eingeschlagen hatte, dermaßen schmerzhaft sein würde. Seine beiden neuen Lehrer, junge Mönche von höflichem Benehmen, bemühten sich, ihm die andere Seite der
qi -Übungen zu vermitteln. Und die hatten mit feinen Seidenfäden, so schien es ihm, überhaupt nichts mehr zu tun. Sie waren scharf und hart wie reiner, nackter Stahl. Es waren noch immer dieselben Bewegungen, aber wenn ihn die Faust, die Fingerspitzen, eine Ferse trafen, dann bildeten sich Blutergüsse, wurde Fleisch gequetscht, entstanden Beulen und Platzwunden, oft sogar kurzzeitige Lähmungen. Dabei setzten seine Gegner noch nicht einmal ihre volle Kraft ein. Das zumindest hatte ihm die erste Erkenntnis beschert – was sie ihm beibrachten, war todbringend, so wie dieselben Übungen, auf andere Weise ausgeführt, die Lebenskräfte stärkten. Beide Seiten kannte er inzwischen, beherrschen tat er sie nicht.
    Dennoch war er nicht unglücklich. Und das überraschte ihn. Es lag vermutlich daran, dass er trotz aller körperlichen Niederlagen auf anderen Gebieten klarer zu denken begann.
    Er tat nichts mehr als Zufall ab, sondern betrachtete das Geschehen, das sich um ihn herum entwickelte, als seine Art lebendiger Verknüpfung hauchzarter Fäden. Seine Aufgabe war es, so hatte er erkannt, zu beobachten und das mögliche Muster in dem zu erkennen, was er sah.
    George Liu war, wie üblich, am Tag zuvor vorbeigekommen und hatte ihm die Nachrichten darüber gebracht, was sich außerhalb der Klostermauern abspielte.
    Der chinesische Hof hatte sich, nachdem die britischen und französischen Geschwader nach Beschießung des Forts Dagu bis nach Peking vorgedrungen waren, bereit erklärt, Verträge mit den Europäern abzuschließen, die ihnen einen größere Handelsfreiheit gewährten. Die Ratifizierung der Verträge verzögerte sich zwar noch, aber ein Ende, möglicherweise wieder mit Gewalt, war abzusehen. Im Land selbst war es wieder zu Aufständen gekommen, und es schien, dass die Regierung unter beträchtlichem Druck stand.
    Aber nicht nur chinesische Nachrichten hatte George mitgebracht. Auch Briefe von deutschen Geschäftspartnern, die er nun endlich zu lesen begann. Sie hatten eine lange Reise hinter sich,
und manches mochte nicht mehr aktuell sein.Aber eine Bemerkung stach ihm besonders ins Auge. Es klagte einer seiner Partner über die Schwierigkeiten auf dem Seidenmarkt und fragte an, ob man nicht Seidenstoffe aus China exportieren könne. Der ehrgeizige junge George Liu wusste auf sein Nachfragen sogar noch weitere Details zu dieser Nachricht beizusteuern, die er seiner gewissenhaften Zeitungslektüre entnommen hatte.
    »Es gibt eine Seidenraupenkrankheit,

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