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Goldbrokat

Titel: Goldbrokat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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Kriege zu gedenken, schlichte Säulen, manche schon mit Mooshauben, zählten die Namen der Geschlechter auf, die sich zu ihren Füßen versammelt hatten, aber auf einigen Gräbern standen auch steinerne Urnen, aus denen ganze Kaskaden von Blüten quollen.
    Bei einem rosenberankten Grab blieb Mama stehen.
    »Meine Großeltern, die Eltern meiner Mama, ruhen hier«, erklärte sie und legte ein Sträußchen Margeriten aus ihrem Korb nieder. »Und daneben die Tante meines Vaters.«
    Sie legte noch ein Blumengebinde nieder.
    Auch weitere Verwandte wurden bedacht, aber Philipp verlor bald die Übersicht. Bei den Lebenden war es ja schon kompliziert genug, sich zu merken, wer was war, bei den Toten schien es ihm noch viel verwirrender.
    Laura rettete die Situation.
    »Mama, gibt es auch ein Grab von Papa hier?«
    Mit einem kleinen Ruck blieb Mama stehen, blinzelte kurz in die Sonne und schüttelte dann den Kopf.
    »Nein, Laura. Euer Papa befindet sich in einem fremden Land.«
    »Wo, Mama?«
    »Ich weiß es nicht.Weit weg von hier.«
    Das hatte sie schon einmal erzählt, und Philipp konnte sich nicht erinnern, ob sie ihnen gesagt hatte, woran er gestorben war. Alte Leute starben, weil sie – eben alt und krank waren. Aber Papa hatte so jung ausgesehen. Ein Abenteurer, fiel ihm wieder ein, und eine grandiose Vorstellung schlich sich in seine Gedanken.
    »Ist er bei einem Schiffbruch ums Leben gekommen? Oder bei einem Kampf mit Piraten?«
    Wieder blinzelte Mama in die Sonne, bevor sie antwortete.
    »Nein, das nicht. Er ist... einfach … gestorben.«

    »War er krank, Mama?«, beharrte jetzt auch Laura auf einer Erklärung.
    »Nein, aber er hat die Gefahr gesucht und... nun ja, wer die Gefahr sucht, kommt manchmal darin um.«
    »Jakobs Vater hat sich erschossen, hat neulich einer aus meiner Klasse erzählt. Weil er ruiniert war. Aber das hat Papa doch nicht getan, oder?«
    Diese Möglichkeit erschreckte Philipp wirklich.
    »Nein, ganz bestimmt nicht. Euer Vater hätte eher einen anderen erschossen als sich selbst.Aber nun lasst dieses Thema bitte auf sich beruhen und helft mir, den Grabstein von Tilda Buddenholtz zu finden.«
    Eine solche Aufgabe war natürlich eine Herausforderung, Philipp und Laura schwärmten augenblicklich aus, um sich auf die Suche zu machen. Aber dann hatte Mama das Grab als Erste gefunden und stand mit einem ziemlich komischen Gesicht davor.
    Darum las auch Philipp die Inschrift auf dem Stein, die ihm zunächst nichts sagte. Tilda Buddenholtz war vor – na, da brauchte man doch die Finger nicht für – sieben Jahren gestorben. Kaum – also gut, genau – dreiundfünfzig Jahre alt war sie geworden, und ihr Gatte war ihr zwei Jahre später gefolgt. Aber dann verloren die Rechenkünste ihre Attraktivität. Die Frau Tilda war nämlich eine geborene Stubenvoll. Und da klingelte doch etwas in ihm, mindestens so laut wie die neumodische Weckuhr, die sie zu Weihnachten bekommen hatten.
    Stubenvoll – so hatte der Weberjunge geheißen, von dem Madame Mira mal erzählt hatte. Der Lehrling bei Wasser, Brot und Prügel werden musste.
    »Mama, kennst du die Dame? Ist das die Mutter von dem Zappelphilipp?«
    »Hoppla, du hast aber ein gutes Gedächtnis, Philipp! Nein, das ist nicht die Mutter, das ist die Schwester von Wilhelm Stubenvoll, der sich heute Guillaume de Charnay nennt, wenn mich nicht alles täuscht.«

    »Kann man denn einfach so seinen Namen ändern?«
    »Er konnte es wohl. Na ja, Stubenvoll würde ich auch nicht gerne heißen, und da er heute in Frankreich lebt, nehme ich an, fällt es den Leuten dort auch leichter, seinen jetzigen Namen auszusprechen.«
    »Er hätte sich auch Salonplein nennen können«, quiekte Laura dazwischen, und Mama musste loskichern.
    Mama konnte wunderbar kichern. Es steckte an, und es machte ihr auch gar nichts aus, auf dem Friedhof so lustig zu sein.
    »Ihr Süßen, sollte ich jemals in meinem Leben Monsieur Salonplein begegnen, werde ich ihn darauf hinweisen.«
    »Bist du ihm denn schon mal begegnet, Mama?«
    »Vor langer Zeit. So, und nun wollen wir zurückgehen. Ich muss unsere Koffer packen und Tante Caros Reisefieber lindern.«
    »Ja, Mama.«
    Sie legte die Arme um Philipps und Lauras Schultern und drückte die beiden kurz an sich.
    »Ihr habt euch die ganze Zeit ziemlich gut benommen.«
    »Es war ja ziemlich nett hier. Besuchen wir Onkel Ernst bald wieder?«
    »Mal sehen.«
    »Du fandest es doch auch schön, nicht, Mama?«
    Philipp kam sich sehr diplomatisch vor,

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