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Goldener Sonntag

Goldener Sonntag

Titel: Goldener Sonntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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unter die linke Handschelle zu schieben, um zu sehen, ob er sie mit seiner jetzt übermenschlichen Kraft zerbrechen oder wenigstens verbiegen konnte. Aber die Handschellen saßen zu fest, und im Grunde seines Herzens wusste er, dass es unmöglich war, sie durch irgendeinen physischen Akt zu öffnen: Durch Zauberei geschaffen, konnten sie auch nur durch Zauberei gelöst werden.
    Als Nächstes versuchte Arthur, ein Telefon herbeizubeschwören, so wie es ihm schon in anderen Teilen des Hauses gelungen war. Aber egal, ob er laut danach verlangte oder einfach nur versuchte, kraft seines Willens eins zu erschaffen, es passierte nichts.
    Danach versuchte er, den Ersten, Zweiten, Dritten und Vierten Schlüssel zu sich zu rufen, so wie er es im Mittleren Haus gemacht hatte. Doch auch das funktionierte nicht, ganz gleich, wie laut er schrie und tobte. Zumal seine Stimme immer noch heiser war von dem, was Lord Sonntag mit ihr angestellt hatte – und das unaufhörliche Brausen des Windes machte die Sache nicht besser.
    Die ganze Zeit über spürte er den unsichtbaren Druck des Siebten Schlüssels gegen sich arbeiten. Es war offensichtlich, dass er nicht dagegen ankommen konnte.
    Ungeachtet dessen versuchte Arthur es nach einer kurzen Ruhepause – so viel Ruhepause, wie einem möglich war, wenn man an Ketten unter einer Riesenlibelle baumelte, die sich mit Höchstgeschwindigkeit fortbewegte – noch einmal. Aber als einziger Erfolg seiner Bemühungen stellten sich rasende Kopfschmerzen ein, die sich zu den Schmerzen in seinen Handgelenken und Schultern gesellten.
    Er gab es auf und versuchte nachzudenken. Dass er sich in einer verzweifelten Lage befand, war ihm klar. Er war zwar jetzt sehr schwer zu töten, aber Lord Sonntag hatte sicherlich die Macht dazu, wenn er es wollte – andererseits, hätte er es gewollt, hätte er es vermutlich schon getan.
    Darüber dachte Arthur noch ein wenig nach. Sonntag hatte es geschafft, den Fünften und Sechsten Schlüssel zu fangen und festzuhalten, während Arthur gefesselt worden war, aber hätte er versucht, Arthur zu töten, hätten die Schlüssel ihn vielleicht energischer verteidigt. Außerdem, falls er Arthur tatsächlich umbrächte, könnte Sonntag sich nie mehr der übrigen Schlüssel bemächtigen – sie mussten freiwillig hergegeben werden.
    Es war allerdings möglich, dass Lord Sonntag die übrigen Schlüssel überhaupt nicht wollte. Andererseits hatte Arthur keine Ahnung, was Lord Sonntag wirklich wollte. Schließlich war es Samstag gewesen, die den Untergang des Hauses eingeleitet hatte, und es war Samstag gewesen, die in die Unvergleichlichen Gärten eingedrungen war, weil die Gärten der einzige Teil des Hauses waren, der den Ansturm des Nichts, das bereits die Fernen Weiten, das Untere Haus und wer weiß was inzwischen noch alles verschlungen hatte, wahrscheinlich überstehen würde.
    Alles, was Arthur wusste, war, dass Lord Sonntag einer der ursprünglichen treulosen Treuhänder war, die der Architektin nicht gehorcht und das Vermächtnis, statt seine Anweisungen zu befolgen, in sieben Teile zerrissen und diese versteckt hatten. Und da Arthur rechtskräftig der Bevollmächtigte des Vermächtnisses war und der vermutliche Rechtmäßige Erbe der Architektin, war Lord Sonntag automatisch sein Feind.
    Aber vielleicht können wir uns irgendwie einigen, überlegte er. Schließlich müssen wir beide die Nichtsflut aufhalten, um das Haus und das restliche Universum zu retten. Vielleicht könnte ich ihn als Befehlshaber der Unvergleichlichen Gärten bestätigen, und er würde in Ruhe gelassen, denn das scheint es doch zu sein, was er will …
    Arthur seufzte, als seine Gedanken in eine weniger optimistische Richtung gingen.
    Wem will ich eigentlich was vormachen? Dame Primus wäre nie damit einverstanden! Außerdem, wer weiß, was Sonntag wirklich im Schilde führt? Ich muss entkommen! Aber wie?
    Er seufzte noch einmal und verzerrte gleich darauf vor Schmerz das Gesicht, als die Libelle erneut die Richtung wechselte und er an dem Seil weit nach außen getragen wurde. Die Handschellen scheuerten inzwischen bei jeder Bewegung über die offenen Wunden an seinen Handgelenken, egal, wie fest er die Kette darüber packte.
    Mit den Schmerzen kam eine unerwartete Erkenntnis: Spätestens seit er den Fünften Schlüssel in seinen Besitz gebracht hatte, war mit jeder Verletzung, die er erlitten hatte, das brennende Verlangen nach Vergeltung einhergegangen, der Wunsch, es denen heimzuzahlen,

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