Goldener Sonntag
hockte auf ihrem Kopf. »Wo immer ›da‹ auch sein mag.«
Sie stand auf, wischte Splitter und Staub von sich ab und hielt die Hände hoch. Eine weise Entscheidung angesichts der inzwischen auf sie zielenden Nichtspulverwaffen – darunter auch ein kleines mobiles Artilleriegeschütz, das von einem halben Dutzend Artilleristen in Position gebracht wurde, bis das Bronzerohr auf die Aufzugstür ausgerichtet war.
»Ich bin General Susi Türkisblau, persönliche Adjutantin von Lord Arthur«, rief sie laut. »Wer führt hier den Befehl?«
Niemand antwortete, und die Waffen wurden nicht gesenkt. Susi überkam, was ungewöhnlich für sie war, ein Moment des Zweifels, während dessen sie sich fragte, ob die Artilleristen von mäßig ehrenwert zu unehrenhaft umgeschwenkt waren und sich womöglich dem Pfeifer oder Samstag angeschlossen hatten. Dann gab ein Hauptfeldwebel, auf dessen Ärmeln goldene Streifen und gekreuzte Kanonen prangten, den anderen Bürgern ein Zeichen. Die nahmen daraufhin die Waffen ein bisschen herunter, wenn auch nicht so viel, dass jemand im Aufzug eine Chance zur Flucht gehabt hätte. Auch der Kanonier mit der brennenden Lunte nahm diese ein Stückchen vom Geschützzündloch weg, jedoch nicht so weit, dass Anlass zur Beruhigung bestanden hätte.
»Bleibt dort, gnädiges Fräulein und ihr anderen!«, rief der Hauptfeldwebel Susi zu. »Marschall Abenddämmerung führt den Befehl hier, und wir haben Order, kein Risiko einzugehen. Ich habe Euch beim Kampf um die Zitadelle gesehen, gnädiges Fräulein, aber Sehen heißt nicht immer Glauben; wenn Ihr also keine Einwände habt, werden wir den Marschall benachrichtigen.«
Er gab ein Handzeichen, und einer der Artilleristen im Hintergrund schlüpfte durch die schwere, eisenbeschlagene Tür auf der anderen Seite des Aufzugs nach draußen.
»Gute Idee!«, sagte Susi. »Ah, wo steckt er? Wir sind nicht in der Zitadelle?«
»Das hier ist das Kanonenarsenal«, antwortete der Hauptfeldwebel. Er wollte noch etwas hinzufügen, als er von drei fernen Hornsignalen gestört wurde.
»Ihr solltet Euch besser die Ohren zuhalten«, empfahl der Hauptfeldwebel, wenngleich weder er noch einer der anderen Kanoniere Anstalten machten, selbst diesen Rat zu beherzigen.
Giac leistete prompt Folge; das Vermächtnis steckte den Kopf unter den Flügel. Susi hingegen wollte gerade fragen, warum, als eine gigantische Explosion von draußen, die die Wände des Wachraums zum Beben brachte, sie von den Beinen riss. Der Aufzug neigte sich noch mehr, bis er fast auf der Seite lag und Susi auf dem hockte, was einmal die Kabinenwand gewesen war.
Der Hauptfeldwebel sagte etwas, aber aufgrund des Klingelns und Pfeifens in ihren Ohren konnte Susi ihn nicht hören. Als das Getöse in ihrem Gehörgang etwas nachließ, ergriff der Hauptfeldwebel erneut das Wort, und obwohl Susi ihn immer noch nicht richtig verstehen konnte, vermochte sie sich zurechtzureimen, was er sagte, indem sie die Worte von seinen Lippen ablas.
»Hab’s Euch ja gesagt«, sagte er.
Susi grinste und machte mit den Fingern die Pantomime des Ohrenreinigens. Es half tatsächlich, also machte sie weiter und betrachtete anschließend überrascht ihre geschwärzten Fingerspitzen.
»Muss ’ne ganze Weile her sein, wo mich die Badezimmeraufseher zwischen den Ohren gewaschen haben!«, sagte sie stolz. »Schätze, sie werden auch keine Chance mehr dazu kriegen!«
»Das halte ich auch für sehr unwahrscheinlich«, pflichtete Teil Sechs des Vermächtnisses ihr bei. Er hüpfte auf Susis Schulter und beäugte die Artilleristen. »Sagt mir, Hauptfeldwebel, wieso tragt Ihr alle schwarze Armbinden? Und was war das für eine Explosion?«
Der Hauptfeldwebel kniff die Augen zusammen.
»Ich beantworte keine Fragen von einem Vogel zweifelhafter Herkunft!«, erklärte er. »Ihr seht wie irgendein Nichtling aus.«
»Ich muss doch sehr bitten!«, entrüstete sich das Vermächtnis. »Nehmt zur Kenntnis, dass Ihr den Sechsten –«
»Sch!«, zischte Susi und hielt dem Raben schnell den Schnabel zu. »Der Vogel ist in Ordnung. Marschall Abenddämmerung wird sich für ihn verbürgen, ebenso wie für mich.«
»Was ist mit dem da?«, verlangte einer der Kanoniere zu wissen, wobei er auf Giac zeigte. »Das ist doch einer von Samstags Leuten, oder?«
»Na ja, das war er«, antwortete Susi. »Nur issers jetzt nich mehr, klar? Er arbeitet für Lord Arthur, genau wie wir andern.«
»Wenn Ihr das sagt!«, meinte der Kanonier naserümpfend,
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