Goldener Sonntag

Titel: Goldener Sonntag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix

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das Feuer auf das Biestwurz. Blatt wirbelte herum und sprintete, so schnell sie konnte, in Richtung Tür. Um sie herum erfüllte das donnernde Echo der Schüsse die Luft, gefolgt vom lauten Hall der Stiefeltritte, als Penhaligon und Chen sie einholten. Noch im Lauf hob Chen sie hoch und nahm sie unter den Arm, und während sie durch die Tür stürmten, schoss Major Penhaligon mehrmals in das vorderste der sie verfolgenden Tentakel, das nach seinem Bein griff. Die Kugeln fanden zwar ihr Ziel, schienen jedoch keinen nennenswerten Schaden anzurichten.
    »Zum Wagen!«, schrie Major Penhaligon. Das Fahrzeug hatte gewendet, sodass das Turmgeschütz jetzt auf die Kliniktür gerichtet war; die hintere Rampe war herabgelassen. Mit eingezogenem Kopf rannte Chen mit Blatt darauf zu, dicht gefolgt von Major Penhaligon, während das Maschinengewehr mit ohrenbetäubendem Lärm über ihre Köpfe hinweg das Feuer eröffnete.
    Williams und Martine waren schon im Wagen und wichen hastig ins Innere zurück, als Chen, Blatt und Major Penhaligon hereinstürzten. Dann zog Chen den Hebel, der die hintere Rampe schloss. Quietschend und quälend langsam hob sie sich, gerade als einer der Biestwurz-Tentakel sich um die Ecke schlängelte und den Rand packte.
    Draußen brach das schwere Rattern des Turm-MGs ab, und über den Innenlautsprecher erscholl die panische Stimme des Fahrers: »Ich kann’s nicht aufhalten! Ich kann nicht –«
    Ein plötzlicher Aufprall ließ das Fahrzeug erbeben und warf Blatt zu Boden. Während sie sich wieder aufrappelte, schob sich von der anderen Seite der Rampe ein zweiter Tentakel ins Innere. Chen hackte mit ihrem Kampfmesser darauf ein, aber das Fleisch war zäh wie Gummi; das Messer prallte einfach davon ab, egal, mit wie viel Wucht Chen darauf einhieb.
    Inzwischen hatten die Tentakel die Rampe ganz umschlungen. Mit einem Ruck rissen sie die schwere Panzerplatte so mühelos aus ihrer Halterung, als wäre sie aus Lakritze. Die Tür segelte durch die Luft und krachte in ein ausgebranntes Auto auf der anderen Straßenseite. Dort, wo vorher die Rampe war, erschien das Biestwurz in der Öffnung.
    Chen und Major Penhaligon versuchten, Blatt hinter sich zu schieben, als ob sie sie irgendwie vor dem Monster beschützen könnten, aber Blatt widersetzte sich.
    »Nein!«, sagte sie. Es bedurfte ihres ganzen Mutes, um die nächsten paar Worte herauszubringen. »Es hat keinen Sinn. Ich werde gehen … Ich werde mit ihnen gehen. Dann werden sie vermutlich alle anderen in Ruhe lassen.«
    »So ist es«, bestätigte der Schnitter, der plötzlich im Eingang aufgetaucht war. »Komm! Wir haben nicht viel Zeit!«
    »Nein!«, rief Major Penhaligon. Er ergriff Blatts Arm, als sie sich auf das Loch im Wagen zubewegte. »Es muss doch etwas geben, was wir tun –«
    »Gibt es nicht«, entgegnete Blatt ruhig. Sie schüttelte Major Penhaligons unsicheren Griff ab und trat aus dem Mannschaftswagen. Draußen drehte sie sich um und fügte hinzu: »Es gibt nichts, was irgendjemand von uns tun könnte. Ich hoffe nur … ich hoffe nur, dass Arthur mich retten kann … uns alle retten kann …«
    »Arthur?«, wiederholte Major Penhaligon. Auch wenn seine Stimme durch die Maske verzerrt wurde, waren die Überraschung und die Erschütterung darin unverkennbar. »Mein kleiner Bruder?«
    »Ja«, sagte Blatt.
    »Genug!«, unterbrach der Bürger sie barsch. Er streckte die Hand aus und packte Blatt bei der Schulter. Sie fuhr unter der Berührung zusammen, verspürte eine Woge der Furcht, die so intensiv war, dass sie beinah umgefallen wäre. Doch sie kämpfte dagegen an und hielt sich aufrecht. Auf keinen Fall wollte sie, dass der Bürger – oder Chen und Penhaligon – merkte, wie groß ihre Angst war. Zum Glück verhüllte die Maske ihr Gesicht, denn die Tränen, die unkontrolliert in ihr aufstiegen, konnte sie nicht zurückhalten, geschweige denn wegwischen.
    »Komm!«
    »Kümmern Sie sich um die Schläfer!«, rief Blatt über ihre Schulter, bevor sie weggeschoben wurde, zurück Richtung Tür von Freitags Klinik.
    Nur dass es gar nicht die Kliniktür war, wie sie nun durch das Regenbogenprisma ihrer Tränen feststellte. Das zweiflügelige Portal war zu einer großen, überwölbten Pforte geworden, die mit tausend wirbelnden Formen und Mustern geschmückt war. Mit Bildern dessen, was geschehen war, und dessen, was vielleicht noch geschehen würde. Ein verwirrendes Kaleidoskop aus Farben und Bewegung, von dem Blatt wusste, dass sie es nicht weiter