Goldfasan
allen Fronten, sagt der Führer. Sicher würden Sie auch lieber für Deutschland kämpfen, als hier an der Heimatfront Ihre Pflicht zu tun. Habe ich recht?«
Saborski ersparte Golsten die Antwort. Der Sturmbannführer hatte die Zwischentür zu seinem Büro aufgerissen und befahl: »Kommen Sie rein.« Er wandte sich an seine Sekretärin. »Kaffee.« Golsten fragte er: »Kognak? Oder ist Ihnen das zu früh?«
»Zu früh.«
»Dann für mich auch keinen Kognak«, ordnete Saborski an. Er schloss die Tür hinter sich und bat seinen Besucher, in der Sitzgruppe Platz zu nehmen.
»Bestimmt haben Sie vom tragischen Unfalltod Charlotte Munders gehört?«, leitete er die Besprechung ein. »Sie ist gestern Nacht bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Ihr Wagen hat ein Brückengeländer durchbrochen und ist in den Kanal gestürzt. Frau Munder wollte einem Radfahrer ausweichen. Sie muss die Gewalt über ihr Fahrzeug verloren haben.«
Golsten war gespannte Aufmerksamkeit. Jede Faser seines Körpers signalisierte Alarm. Was wollte Saborski von ihm? »Natürlich.«
»Tja. Wir mussten Taucher einsetzen, um ihre Leiche zu bergen. Anscheinend war sie auf dem Weg zu ihrem Vater.« Er senkte die Stimme. »Sie hatte eine recht hohe Alkoholkonzentration im Blut, als sie verunglückte. Wie man hört, soll sie regelmäßig getrunken haben. Na ja. Jetzt hat sie es überstanden.«
Margot Schäfer klopfte und servierte den Kaffee.
»Sicher sind Sie mit mir einer Meinung, dass wir den Fall Munder abschließen sollten«, setzte Saborski das Gespräch fort, nachdem die Sekretärin das Büro wieder verlassen hatte. »Munder von einem Edelweißpiraten erschossen, seine Frau bei einem Unfall verstorben …« Er griff zur Kaffeetasse. »Ach übrigens, der Attentäter ist ebenfalls tot. Ganz überraschend. Kreislaufkollaps. Der Arzt konnte ihm nicht mehr helfen. Leider kommt es nun nicht mehr zu einem Gerichtsverfahren. Trotzdem, gute Arbeit, die Sie da geleistet haben, wirklich.«
Golsten verspürte einen schalen Geschmack im Mund. Kreislaufkollaps. Das stand auf fast allen Totenscheinen, die SS-Ärzte ausstellten. Golsten war völlig klar, dass Saborski eine Aussage Bertelts um jeden Preis hatte verhindern müssen.
»Diese Geschichte mit der verschwundenen Polin, wie hieß sie doch gleich?«
»Marta Slowacki.«
»Richtig. Slowacki. Wir haben ihren Mörder dingfest machen können.«
Wenn Saborski Golsten hatte überraschen wollen, war ihm das jetzt gelungen. Der Kommissar hatte Saborski nicht über seine Ermittlungen informiert. Was also wusste Saborski? Und woher? Golsten wappnete sich für das Kommende.
»Ich sehe es Ihnen an. Damit haben Sie nicht gerechnet, was?«
»Wenn ich ehrlich bin, nein.«
Saborski grinste. »Wie lange kennen wir uns jetzt?«
»Fast genau zwanzig Jahre.«
»Genau. Ruhrbesetzung. Der Franzmann im Revier. Und heute amüsieren sich unsere Soldaten auf den Champs-Élysées mit hübschen Französinnen. So ändern sich die Zeiten.« Saborski lachte nun richtig. »Zwanzig Jahre! Und immer noch gelingt es mir, Sie zu überraschen. Nun machen Sie nicht so ein Gesicht. Ich weiß, dass Sie nicht glücklich darüber waren, dass ich Sie von dem Fall abgezogen habe. Aber es ging nicht anders.« Er tat geheimnisvoll. »Große Politik, wissen Sie. Aber so ganz habe ich die Polizeiarbeit nun auch nicht verlernt. Wie gesagt, wir haben den Täter.«
Konnte es sein, dass Saborski wirklich Wieland Trasse ans Messer lieferte? Nein, das war undenkbar. Aber wen wollte er ihm als Mörder präsentieren? Golsten zwang sich zur Ruhe. »Wer ist es?«, fragte er so gelassen wie möglich.
»Es war ein jüdisches U-Boot.«
Golstens Puls begann zu rasen.
»Da staunen Sie, was? Nicht nur Jude, sondern auch Kommunist. Wir haben das Schwein in einer Laube festgenommen. In Pöppinghausen. Sie wissen, wo das ist?«
Veranstaltete Saborski hier ein grausames Spiel? Hatte Rosen unter der Folter ausgepackt? Wartete die Gestapo vor der Tür?
»Sicher«, antwortete Golsten mit heiserer Stimme.
»Fast drei Wochen hat er sich da versteckt gehalten.«
Drei Wochen?
»Aber ein aufmerksamer Hitlerjunge hat ihn aufgespürt. Er hat noch zu fliehen versucht, ist aber geschnappt worden.« Wieder griff Saborski zur Kaffeetasse. »Wollen Sie nicht doch einen Kognak? Sie sehen aus, als ob Sie einen gebrauchen könnten. Es muss Sie doch nicht so mitnehmen, wenn Ihr Vorgesetzter an Ihrer Stelle einen Fall löst.« Er lachte wieder. »Na, was ist?«
»Ja,
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