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Goldfasan

Goldfasan

Titel: Goldfasan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Zweyer
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Deshalb die Briefe. Täglich schrieben sie sich und tauschten ihre Post bei ihren Treffen aus.
    Heute wartete sie schon auf ihn. Er griff ihre Hand, zog sie weg vom Haus hinter einen Busch, wo sie wenigstens für den Moment ungestört waren. Atemlos küssten sie sich. Für Minuten blieben sie regungslos stehen, sich aneinander festhaltend.
    2
    Mittwoch, 24. März 1943
    D ie schmächtige Gestalt hockte seit Stunden unter dem großen Rhododendron und spähte durch das immergrüne Gewirr von Zweigen auf das Haus, das an der anderen Straßenseite stand. Es war kalt und das Blätterdach bot nur wenig Schutz vor dem leichten, dafür aber unablässig fallenden Regen. Die Jacke des Jungen war schon lange durchnässt, Wasser lief von der Schirmmütze in seinen Nacken. Seine Glieder waren steif, aber nur ein Bombenalarm hätte ihn zur Aufgabe seines Beobachtungspostens bewegen können. Damit war allerdings nicht zu rechnen. Noch war Herne von größeren Angriffen verschont geblieben. Und bei so einem Wetter wurden in der Regel sowieso keine Angriffe geflogen.
    Der höchstens Siebzehnjährige wusste nicht genau, wie spät es war. Er schätzte, dass vor etwa zwanzig Minuten vom nahe gelegenen Kirchturm neun Schläge zu hören gewesen waren. So musste er nur noch eine knappe Dreiviertelstunde ausharren.
    Er schaute wieder auf das gegenüberliegende Gebäude. Im Dunkeln wirkte das Haus eher unscheinbar, trotz des Balkons über dem Eingang, der von zwei Säulen aus Sandstein gestützt wurde.
    Er wechselte sich mit zwei seiner Freunde bei der Beobachtung ab. Morgens um sechs ging es los. Manchmal waren sie zu zweit. Dann konnten sie so tun, als ob sie auf der Straße vor dem Haus nur Fußball spielen wollten. Abends und des Nachts jedoch warteten sie einen geeigneten Zeitpunkt ab, um schnell unter den Busch zu kriechen. Aber sie blieben nie länger als bis zehn Uhr. Wenn sie nicht spätestens um elf zurück in der elterlichen Wohnung waren, drohten Strafen.
    In der Villa, die sie seit Tagen observierten, war alles ruhig. Die Vorschriften zur Verdunklung wurden von den Bewohnern peinlichst eingehalten.
    Heute war der vierte Tag, an dem sie auf der Lauer lagen. Aber sie konnten immer noch kein Muster im Tagesablauf der Bewohner des Hauses feststellen. Mal verließ der Hausherr das Gebäude bereits kurz nach sechs Uhr, dann wieder erst um neun. Auch die Rückkehr war nicht vorherzusehen. Die letzten Abende beispielsweise war er überhaupt nicht nach Hause zurückgekehrt, zumindest während des Zeitraums ihrer Überwachung nicht. Da er am heutigen Morgen die Villa auch nicht verlassen hatte, lag die Vermutung nahe, dass er woanders übernachtet hatte. Doch es gab auch ein paar Rituale. Wenn er da war, öffnete der Hausherr zu Beginn seines Tagwerks die Tür, trat zwei Schritte ins Freie, sah einen Moment nach oben, als prüfe er die Wetterlage, drehte sich anschließend wieder zur Tür, um seiner dort wartenden Frau einen Abschiedskuss zu geben. Dann durchmaß er mit weiten Schritten den Vorgarten, bis er seinen vor der Villa geparkten Wagen vom Typ Wanderer erreichte, öffnete erst die rechte Beifahrertür, um seine Aktentasche im Inneren des Fahrzeugs abzulegen, winkte seiner Gattin noch einmal zu, umrundete den Wanderer, stieg ein und fuhr los.
    Möglicherweise hingen die unterschiedlichen Aufbruchtermine mit den verschiedenen Wochentagen zusammen. Aber um das herauszufinden, mussten sie ihre Beobachtung fortsetzen. Sie brauchten Gewissheit, wann der Mann genau kam und ging und welche Gewohnheiten er hatte. Außerdem sollten sie auch das Kommen und Gehen möglicher Besucher akribisch notieren. So lautete ihr Auftrag.
    Gefährlich sei die Aufgabe, hatte der Rote gemahnt. Und gerade das war es, was den Jungen und seine Freunde gereizt hatte. Das war kein Räuber-und-Gendarm-Spiel, sondern Realität. Und obwohl der Rote sie eindringlich über das Risiko aufgeklärt hatte, verdrängten sie jeden Gedanken an das, was passieren könnte, würden sie geschnappt werden. Dem illegalen Widerstand helfen zu können, war zu verlockend. Und einfach spannend.
    Motorengeräusch ließ den Jungen aus seinen Gedanken aufschrecken. Langsam rollte eine dunkle Limousine mit abgedunkelten Scheinwerfern die Straße entlang und hielt vor der Villa. Der Junge erkannte das Modell sofort: ein schwerer Horch, in der Pullman-Ausführung.
    Der Fahrer und ein weiterer Mann stiegen aus. Ersterer wartete neben dem Wagen, der andere ging zum Haus und klopfte. Kurz

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