Goldfieber
Indianer! Sogar seine Schneidezähne sind spitz zugefeilt und die Zwischenräume mit Splittern von Türkisstein ausgefüllt, wie es bei den Maya hierzulande Brauch ist. Ob seine Haut von Natur aus hell oder kaffeebraun ist, kann ich unmöglich entscheiden – aber ein Spanier käme niemals auf den Gedanken, sich von Kopf bis Fuß mit so einem Schildkrötenmuster zu tätowieren!
Nein, er muss ein Indianer sein – aber wieso spricht er dann Spanisch? Vor Grijalvas Expedition ist niemals ein spanisches Schiff in diesen Gewässern gekreuzt – und der mutlose Grijalva hat zwar Dutzende Männer zurückgelassen, aber keiner von ihnen war mehr am Leben. Einige fielen im Kampf, die weitaus meisten starben auf den Opfersteinen der Götzenpriester – und ganz bestimmt hätte keiner von Grijalvas Männern sich die Zähne spitz gefeilt und seine Haut mit Schildkrötenmuster tätowiert!
Ich schüttele den Kopf über mich selbst – dieses ewige Grübeln bringt mich keinen Schritt weiter. Wie gut es Diego doch hat, sage ich mir, der Junge kennt weder Selbstzweifel noch Angst! Zumindest versteht er es, vor sich selbst und vor aller Welt diesen Anschein zu erwecken. Wie enttäuscht er vorhin war, als Sandovalihn nicht mit auf die Plattform stürmen ließ! Diego kann es wirklich kaum erwarten, mit dem Schwert in den Kampf zu ziehen.
Ich drehe meinen Kopf hin und her, aber ich kann ihn nirgendwo entdecken. Verstohlen beobachte ich Cortés, der es offenbar aufgegeben hat, die gefangenen Indianer zu verhören. Mit seinem prachtvollen Samtumhang, den breitkrempigen Federhut auf dem Kopf, schreitet er auf der Plattform auf und ab.
Aus irgendeinem Grund fällt mir die Geschichte wieder ein, wie Cortés vor rund zehn Jahren in der Neuen Welt ankam. Damals waren seine Taschen praktisch leer, und so wie die Geschichte meistens erzählt wird, handelt sie von einem mittellosen Einwanderer Anfang zwanzig, der in kurzer Zeit zum reichen Haziendero aufsteigt. Aber Cortés selbst hat mir gleich bei unserem ersten Zusammentreffen eine ganz andere Version erzählt. »Nichts daran kam unerwartet, Orteguilla«, sagte er damals zu mir. »Ich bin in die Neue Welt gekommen, um reich und mächtig zu werden. Schon unterwegs auf dem Schiff, ja bereits drüben in Sevilla fühlte ich, dass alles ganz genauso kommen würde, wie ich es mir vorgenommen hatte.«
Auf der Insel Hispaniola ließ sich Cortés eine Encomienda zuweisen – ein Landstück sowie einige Dutzend Eingeborene für die Arbeit, wie sie jedem neuen Siedler aus Spanien zustehen. Er befahl ihnen, im Fluss nach Gold zu suchen. Er selbst stand von früh bis spät bis zu den Knien im Wasser und wusch Sand und Kiesel im Sieb. Nach Monaten harter Arbeit wurde er fündig: Er entdeckte Goldkrumen in seinem Sieb, folgte der Spur zu ihrem Ursprung und stieß auf ein funkelndes Flöz im Fels.
Die Mine enthielt Gold für rund zehntausend Pesos. Cortés kaufte sich eine Hazienda und scharte zahlreiche Gefolgsleute und Bedienstete um sich, darunter auch Jesus Mendoza. Dem Zimmerer ging der Ruf voraus, dass niemand prächtigere Altäre schreinern könne als er. Als Cortés’ Tochter zur Welt kam, gezeugtmit einer getauften Indianerin namens Lenita, war die Kapelle auf seiner Hazienda gerade fertig geworden. Das Taufbecken stand neben dem Altar, den Jesus Mendoza gezimmert und mit kunstvollen Schnitzereien versehen hatte. Fray Bartolomé, Cortés’ geistlicher Vertrauter, der uns auch auf dieser Expedition begleitet, taufte die kleine Mestizin auf den Namen Leonor.
Das alles geschah, Jahre bevor ich in die Neue Welt kam und Cortés auch mich in seine Dienste nahm. Doch noch auf seiner neuen Hazienda, die er inzwischen in Kuba erworben hatte, wurde von dem verschwenderischen Tauffest erzählt. Gouverneur Velazquez war der Pate der kleinen Leonor und nicht nur er soll über die ungeheuer prunkvolle Feier erstaunt gewesen sein. »Es war, als ob eine Prinzessin getauft würde«, so äußerte sich manch einer mit Bewunderung und Befremden, »und nicht bloß ein Halbblut, gezeugt von einem drittklassigen Hidalgo und einem Indianerweib aus einem dreckigen Lehmhüttendorf.«
Doch so hat Cortés sich selbst niemals gesehen. »Ich wusste schon als kleiner Knabe«, sagte er damals zu mir, »dass ich dazu berufen bin, eines Tages zum König gekrönt zu werden.« Dabei sah er mich mit seinen dunklen Augen so durchdringend an, wie nur er das vermag.
Während ich über seine Worte nachdenke, fällt mein Blick auf
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