Goldschatz
Es war schon fast sechs, und heute Abend war sie auf Dianes Geburtstagsfeier eingeladen.
Fiona blickte ihren Assistenten an und wollte ihm erzählen, was geschehen war, aber er kam ihr zuvor.
»Sie brauchen nichts zu sagen; es hat bereits im ganzen Büro die Runde gemacht. Wissen Sie, warum der Kerl ausgerechnet nach Ihnen verlangt hat? Ich meine, abgesehen von den üblichen Gründen, aus denen ein Mann eine Frau ...« Er ließ den Satz unbeendet.
Fiona schüttelte den Kopf. »Ich habe keine Ahnung! Ich bin ihm noch nie begegnet! Schlimmer noch; ich bin nicht dazu gekommen ...«
»Ein Geburtstagsgeschenk für Diane zu besorgen?«, fragte Gerald mit blitzenden Augen und holte ein kunstvoll verpacktes Geschenk hinter seinem Rücken hervor. »Schuhe von Ferragamo, Größe sechseinhalb«, sagte er. »Ich hoffe, Sie sind nicht böse, dass ich ein wenig in Ihrer Privatakte herumgeschnüffelt habe auf der Suche nach Größen und ...«
Fiona war nicht sicher, ob sie sich bei ihm bedanken, ihn ohrfeigen oder ihn schlicht feuern sollte. Sie hielt alles in ihrem Computer fest, auch die Vorlieben ihrer Freunde und zahlreichen Geschäftspartner. Indem Gerald in dieser privaten Datei geschnüffelt hatte, hatte er zweifellos seine Kompetenzen als ihr persönlicher Assistent überschritten. »Keine Sorge«, sagte Gerald, als er ihren Bibermantel aus dem Schrank nahm und dann hochhielt, um ihr hineinzuhelfen. »Ich werde mich um Kimberly, Sean und Warren kümmern und ich werde auch dafür sorgen, dass die Karten in die Produktion gehen. Überhaupt, warum nehmen Sie nicht Urlaub und hängen ein paar Tage dran? In Florida muss es wunderschön um diese Jahreszeit sein.«
Widerstrebend zog Fiona ihren Mantel über. In der Tür blieb sie noch einmal stehen, wandte sich um und schenkte Gerald ein Lächeln. Er stand bereits hinter ihrem Schreibtisch und sah sich ihre Entwürfe an.
»Wenn Sie auch nur ein Haar an Kimberly verändern, bringe ich ein Krokodil aus den Sümpfen mit und sperre es mit Ihnen auf der Toilette ein«, sagte sie mit ihrem lieblichsten Lächeln. Dann machte sie kehrt und verließ das Büro.
»Also gut, erklär es mir noch einmal«, forderte Diane sie auf und legte den Kopf in den Nacken, um einen weiteren Tequila pur in sich hineinzuschütten. Das war mindestens ihr vierter- Drink - vielleicht auch der fünfte. »Du musst wann wohin und warum ?«
»Ich weiß es nicht«, entgegnete Fiona seufzend und winkte dem Ober, ihr noch einen Drink zu bringen. Sie wusste, dass sie das am nächsten Morgen bereuen würde, aber der heutige Tag war mit Abstand der schlimmste in ihrem ganzen bisherigen Leben gewesen. Außerdem waren jetzt ihre vier besten Freundinnen hier und sie wollten ihr Unglück mit ihr teilen, also ...
Sie blickte liebevoll in jedes der vier Gesichter, die sie so gut kannte. Sie alle waren seit ihrer Kindheit befreundet...
»Hallo! Aufwachen!«, rief Ashley. »Spann uns nicht auf die Folter! Was hat das alles zu bedeuten? Ist dieser Kerl in dich verknallt?«
»Wie könnte er das sein? Ich bin ihm nie begegnet«, erwiderte Fiona. »Soweit ich weiß, ist er über sechzig und hat eine Figur wie der Nikolaus.«
»Aber er ist reich, oder?«, fragte Jean und leerte ihr Glas Eistee - Long-Island-Eistee wohlgemerkt, ein Mix aus Wodka, Gin, Rum und Tequila.
»Wenn er jetzt noch nicht reich ist, wird er es sein, sobald seine Show auf den Markt kommt. Und dann wird er ...«
»Entschuldige«, unterbrach Susan Fiona und hob ihr Martini-Glas. Susan mochte eigentlich gar keinen Martini, aber sie fand diese Trichterform der Gläser so sexy, dass es sie schon anturnte, nur eins in der Hand zu haben. »Wir leben nicht alle hier in dieser sagenhaften Stadt und nicht alle von uns ...«
»Ja, ja«, meinte Jean lachend. »Fang bloß nicht mit der Ich-bin-ein-armes-kleines-Mädchen-aus-Indiana-Leier an.«
»Los Angeles«, konterte Susan todernst. Die zwei von ihnen, die in Manhattan lebten, zogen die beiden anderen immer wieder damit auf, dass sie infrage stellten, ob irgendetwas jenseits des Hudson River als zivilisiert bezeichnet werden konnte.
»Schon gut, beruhigt euch«, sagte Fiona und hob beschwichtigend beide Hände. »Ich werde euch alles erzählen, was ich weiß - obwohl das sehr wenig ist. Ein Texaner namens Roy Hudson hat sich eine Kinderserie mit dem Titel Raphael ausgedacht. Ich weiß nichts darüber, außer dass sie im Lokalfernsehen ein Renner ist, dass die Serie von einem der nationalen Sender
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