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Goldstein

Goldstein

Titel: Goldstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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auch selbst versucht, doch außer hasserfüllten Blicken hatte er dem Mann nichts entlocken können. Obwohl seine Organisation um ihn herum zusammenbrach, schwieg er, als könne er damit noch irgendjemanden schützen. All das, was er Rath auf dem Gasometer erzählt hatte, war juristisch gesehen völlig wertlos.
    »Geredet! Schön wär’s«, sagte Gennat. »So bald werden wir nicht mehr Gelegenheit haben, ihn zum Reden zu bringen, fürchte ich.«
    »Was ist denn los? Ist er ...«
    In den ersten Tagen, nachdem sie ihn oben vom Gasometer geborgen hatten, wäre Sebastian Tornow beinahe an einer Blutvergiftung gestorben.
    »Nein, ich fürchte, er lebt.« So ein Satz hörte sich aus dem Munde von Ernst Gennat eher seltsam an. »Es sieht so aus, als sei er entkommen«, fuhr der Buddha fort. »Er muss ein paar Helfer gehabt haben, die ihm zur Flucht verholfen haben.«
    »Wie ist denn das möglich? War er nicht streng genug bewacht?«
    »Es war immer noch ein Krankenhaus, in dem er gelegen hat, und kein Hochsicherheitstrakt.«
    »Aber er ist doch völlig hilflos mit nur einem Arm.«
    »Wie mir die Schwester sagte, hat er schon ein gewisses Geschick entwickelt, viele Dinge nur mit einem Arm zu bewerkstelligen. Und außerdem hatte er Helfer, wie gesagt.«
    »Und wie konnte er an den Wachen vorbeikommen?«
    »Musste er nicht. Die beiden Wachmänner sind ebenfalls verschwunden.«
    »Leute von der Weißen Hand.«
    »Wir vermuten es.«
    »Und nun?«
    »Die Fahndung läuft. Bisher noch keine Spur. Wir vermuten, dass er sich irgendwo ins Ausland absetzen will und haben alle Grenzen im Visier. Oder aber ...« Gennat zögerte weiterzusprechen.
    »Oder aber er hat es auf mich abgesehen, das wollen Sie doch sagen.«
    »Er hat jedenfalls genügend Gründe, sich an Ihnen zu rächen.«
    »Na, ein Glück, dass ich heute Abend in Gesellschaft bin, an die er sich nicht rantrauen dürfte.«
    »Hört sich an, als würden Sie mit Hindenburg dinieren.«
    »Besser«, sagte Rath. »Ich muss noch jemanden verabschieden.«
    »Ich glaube, ich ahne, wen Sie meinen.«
    »Befehl von Doktor Weiß. Und ehrlich gesagt ist Abraham Goldstein auch nicht so übel wie sein Ruf. Solange er einen nicht erschießt.«
    »Dann lassen Sie sich mal nicht erschießen. Und achten Sie darauf, dass der Mann auch wirklich in seinen Zug steigt. Er war nun wirklich lange genug hier.«
    »Zwölf Wochen, um genau zu sein. Aber nur eine davon auf Staatskosten. Goldstein hat die hiesige Tourismusbranche nach Kräften unterstützt, würde ich sagen.«
    »Vielleicht sollten Sie das auch tun«, meinte Gennat. »Es wäre wohl besser, Sie verbringen das Wochenende nicht zuhause. Ich hoffe, nächste Woche wissen wir mehr über Tornows Verbleib.«
    »Gerne«, sagte Rath, »wenn der Freistaat Preußen die Spesen übernimmt, verstecke ich mich, wenn’s denn sein muss, auch mal im Hotel.«
    »Eine Suite im Adlon werden Sie sich nicht leisten können. Und auch keine im Excelsior .«
    »Schade. Da ist gerade was Schönes frei geworden.«
    Rath griff Gennats Vorschlag auf; er hielt es im Moment sowieso nicht aus in seiner Wohnung. Er packte ein paar Sachen zusammen und steckte ein bisschen Geld ein, lieferte den Hund unten bei Lennartz’ ab und machte sich wieder auf den Weg, diesmal weiter in den Westen. Das Excelsior sollte es definitiv nicht sein, von dem Laden hatte er vorerst genug.
    Die Hotels in Charlottenburg waren nicht gerade die billigsten, aber Rath war bereit, ein bisschen was aus eigener Tasche draufzulegen, sollte die Finanzabteilung Ärger machen. Das Savoy in der Fasanenstraße war eines der modernsten Hotels der Stadt, vor wenigen Jahren erst eröffnet, in direkter Nähe zur Kantstraße und zum Kurfürstendamm. Er nahm ein Einzelzimmer für zwei Nächte und ging hinauf, um sich ein wenig frisch zu machen. Als er aus der Dusche kam, fühlte er sich schon besser. Wie neugeboren vielleicht nicht, aber besser, wie aus einem schlechten Traum erwacht. Ein bisschen so wie damals, als er in Berlin angekommen war und die ersten Tage auch im Hotel gelebt hatte. Genau wie damals war er wieder ganz allein, ohne Hund und ohne Frau. Vielleicht würde er sich wie damals auch wieder ein wenig ins Nachtleben stürzen. Wenn nicht einmal Gräf oder Weinert für ihn Zeit hatten.
    Von seinem Fenster blickte er genau auf das Delphi , einen Tanzpalast an der Kantstraße, in dem er schon einmal beruflich zu tun gehabt hatte. Darüber hinaus gab es noch genügend andere Läden hier in dieser

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