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Golem - Golem - Genome, Inc.

Titel: Golem - Golem - Genome, Inc. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthew Delaney
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eine Wand aus kugelsicherem Glas. Freie Menschen auf der einen, Gefängnisinsassen auf der anderen Seite.
    Zu beiden Seiten neben ihm sprachen Untersuchungshäftlinge durch winzige Löcher im Panzerglas mit ihren vom Gericht bestellten Anwälten. Plädiere hier drauf, sag dies, bestreite das, sei freundlich, bleib hart, tu so, als hättest du der Gesellschaft was zu bieten – und so weiter. In einer Ecke befand sich ein großes Fenster. Dahinter wachte eine Beamtin aufmerksam darüber, dass alles mit rechten Dingen zuging, während hinter ihr Kollegen über Scherze lachten, die durch das dicke Glas nicht zu hören waren.
    Roosevelt schaute nach vorne, wobei er sich bewusst war, dass die Überwachungskameras sein Gesicht aufnahmen. Er fragte sich, wer wohl als Erster einen Schnauzbartscherz machen würde, wenn die Bilder später, nachdem alles vorbei war, ausgewertet wurden.
    Er machte es sich auf der Bank bequem und schaute auf das Glas. Es war dick, leicht milchig und vom jahrelangen Gebrauch zerkratzt. In der Mitte befanden sich die winzigen, kreisrund angeordneten Sprechlöcher. Das schwächte die Struktur wahrscheinlich – oder auch nicht. Nun, er würde es bald herausfinden.
    Auf der anderen Seite der Panzerglasscheibe stand ein Metallstuhl, der am Boden festgenietet war. Roosevelt lockerte seine Finger und wartete geduldig.
    Das Warten währte nicht lange.
    Eine Tür öffnete sich, und zwei Justizvollzugsbeamte schoben einen deutlich abgemagerten und gefesselten Harold Lieberman herein. Von Arroganz keine Spur mehr. Die Aura, alles zu beherrschen und sich alles leisten zu können, war tiefer Müdigkeit gewichen. Lieberman sah wie ein Mann aus, der soeben ein todsicheres Blatt beim Pokern vergeigt hatte. Er war besiegt, fix und fertig und viel zu erschöpft, um noch Verzweiflung zu zeigen.
    Die Beamten setzten Lieberman auf den Metallstuhl und fesselten die Hände mit Handschellen an Ringe vor ihm. Anschließend zogen sie sich in den Raum hinter dem Fenster zurück. Roosevelt musterte Lieberman ausgiebig.
    Egal wie heruntergekommen der Mann jetzt auch aussehen mochte – unter der verlotterten Fassade schlummerte noch immer der Chefbroker von Genico, der Mann, der Roosevelt verraten hatte. Er war derjenige, der alles in Bewegung gesetzt hatte. Harold Lieberman hatte eine lange Kette von Ereignissen initiiert, die unweigerlich bis zu diesem Punkt geführt hatten. Zu diesem Moment. Doch jetzt waren die Rollen vertauscht.
    Lieberman rutschte auf dem Metallstuhl herum, schaute verwirrt auf die Handschellen und dann zu dem Mann mit der blonden Perücke und dem falschen Schnurrbart hinter dem Glas – dem Mann auf der freien Seite des Tisches.
    Er kniff die Augen zusammen. »Wer sind Sie?«
    »Edmond Dantes.«
    »Wer?«
    »Offenbar sind Sie nicht gerade ein Mann der Literatur. Und Sie erkennen auch keinen alten Freund«, sagte Roosevelt.
    »Äääh …«, sagte Lieberman langsam, hielt inne und blickte über die Schulter. Er hatte tatsächlich keine Ahnung, wer Roosevelt war. War das wirklich schon so lange her? Selbst mit der Perücke und dem Schnurrbart hätte jeder ehemalige Kollege zumindest ahnen müssen, wer er war. Doch Lieberman zeigte nicht die geringste Spur von Erkennen. Hatte Roosevelt sich wirklich so verändert?
    »Ich weiß nicht …« Lieberman zögerte. Die Welt drehte sich so schnell um ihn, dass er sich nichts mehr sicher war.
    »Kennen Sie mich wirklich nicht?«, fragte Roosevelt. »Gut, dann will ich Ihnen helfen.«
    Langsam nahm er die Hand zum Kopf und hob die Perücke ganz leicht an. Dann, unter den Blicken eines staunenden und verwirrten Lieberman, nahm Roosevelt sie ganz vom Kopf und legte sie auf den Tisch vor sich. Anschließend strich er sich mit dem Finger über den Schnurrbart, zog ihn ab und enthüllte die blanke Haut darunter.
    Lieberman blinzelte und kniff dann verunsichert die Augen zusammen. »Roosevelt?«
    »Ah. Sie erinnern sich also doch an das Leben, das Sie genommen haben.«
    »Du! Du warst es, der mich hier reingebracht hat!«, stieß Lieberman hasserfüllt hervor. »Du warst tot!«
    »Ich bin tot.«
    Lieberman leckte sich über die Lippen, lehnte sich im Stuhl zurück und blickte zum Wachraum. Das war seine Chance, einen gesuchten Transkriptor auszuliefern – seine Chance, an einen Deal mit der Staatsanwaltschaft heranzukommen. Wenn ein Mitarbeiter einer Strafverfolgungsbehörde einen entflohenen Transkriptor schnappte, hatte er die besten Aufstiegschancen.

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