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Golem und Dschinn: Roman (German Edition)

Golem und Dschinn: Roman (German Edition)

Titel: Golem und Dschinn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Wecker
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zu Woge glitt.
    Er drehte sich um, hielt sich den Bauch und überlegte: Der Rat des alten Mannes war gewiss übervorsichtig gewesen. Wenn sie so gehorsam wie versprochen war, konnte es nicht schaden, sie zu wecken. Dann konnte er ihr befehlen, bis zu ihrer Ankunft in Amerika in der Kiste liegen zu bleiben.
    Aber was, wenn sie nicht richtig funktionierte? Was, wenn sie nicht erwachte, sondern liegen blieb wie ein Klumpen Lehm in Form einer Frau? Zum ersten Mal ging ihm durch den Kopf, dass er keinen Beweis für den Wahrheitsgehalt von Schaalmans Behauptung hatte. Voll Panik holte er den Umschlag aus der Tasche und nahm den Zettel heraus. Kauderwelsch, sinnlose Wörter, ein Durcheinander hebräischer Buchstaben! Was für ein Dummkopf er gewesen war!
    Er schwang die Beine aus der Koje und griff nach einer Petroleumlampe. Eine Hand auf den Bauch gedrückt, ging er rasch durch das Labyrinth der Kojen zur Treppe und hinunter in den Frachtraum.
    Er brauchte fast zwei Stunden, um die Kiste zu finden, zwei Stunden, sich einen Weg durch die Kofferstapel und mit Schnur umwickelten Schachteln zu bahnen. In seinem Bauch brannte es, kalter Schweiß lief ihm in die Augen. Schließlich schob er einen zusammengerollten Teppich beiseite, und da war sie: seine Kiste und darin seine Braut.
    Er fand ein Stemmeisen, brach den Deckel auf und nahm ihn ab. Mit klopfendem Herzen fischte er den Zettel aus der Tasche und sagte den Befehl unter der Überschrift
Den Golem wecken.
    Er hielt den Atem an und wartete.
     
    Langsam erwachte der Golem zum Leben.
    Als Erstes rührten sich ihre Sinne. Sie spürte das raue Holz unter ihren Fingerspitzen, die kalte feuchte Luft auf ihrer Haut. Sie spürte, wie sich das Schiff bewegte. Sie roch Schimmel und Salzwasser.
    Sie wurde wacher und wusste, dass sie einen Körper hatte. Die Fingerspitzen, die das Holz berührten, gehörten ihr. Die Haut, auf der sich die Luft kühl anfühlte, war ihre Haut. Sie bewegte einen Finger, um zu überprüfen, ob sie ihn bewegen konnte.
    Neben ihr befand sich ein Mann und atmete. Sie wusste seinen Namen und wer er war. Er war ihr Meister, ihr einziger Daseinszweck; sie war sein Golem, an seinen Willen gebunden. Und in diesem Moment wollte er, dass sie die Augen öffnete.
    Der Golem schlug die Augen auf.
    Ihr Meister kniete neben ihr im dämmrigen Licht. Sein Gesicht und sein Haar waren schweißnass. Mit einer Hand hielt er sich am Rand der Kiste fest, die andere drückte er sich auf den Bauch.
    »Hallo«, flüsterte Rotfeld. Eine absurde Schüchternheit schnürte ihm die Kehle zu. »Weißt du, wer ich bin?«
    »Du bist mein Meister. Du heißt Otto Rotfeld.« Ihre Stimme klang klar und natürlich, wenn auch ein bisschen tief.
    »Das stimmt«, sagte er, als wäre sie ein Kind. »Und weißt du, wer
du
bist?«
    »Ein Golem.« Sie hielt inne und dachte nach. »Ich habe keinen Namen.«
    »Noch nicht«, sagte Rotfeld und lächelte. »Ich muss mir einen ausdenken.«
    Plötzlich zuckte er zusammen. Der Golem musste nicht fragen warum, denn sie spürte es ebenfalls, ein dumpfes Echo seiner Qualen. »Du hast Schmerzen«, sagte sie besorgt.
    »Nicht der Rede wert«, wiegelte Rotfeld ab. »Setz dich auf.«
    Sie setzte sich in der Kiste auf und schaute sich um. Die Petroleumlampe warf einen schwachen Lichtschein, der sich mit dem Schiff bewegte. Lange Schatten fielen auf Gepäckstapel und Kisten und zogen sich wieder zurück. »Wo sind wir?«, fragte sie.
    »Auf einem Schiff, das über den Ozean fährt«, sagte Rotfeld. »Wir sind unterwegs nach Amerika. Du musst sehr vorsichtig sein. Es sind viele Menschen auf dem Schiff, und sie hätten Angst vor dir, wenn sie wüssten, was du bist. Womöglich würden sie dir sogar etwas antun. Du musst hier still liegen bleiben, bis wir an Land sind.«
    Das Schiff neigte sich heftig, und der Golem hielt sich an den Rändern der Kiste fest.
    »Ist schon in Ordnung«, flüsterte Rotfeld. Er hob eine zitternde Hand, um ihr übers Haar zu streichen. »Bei mir bist du sicher«, sagte er. »Mein Golem.«
    Plötzlich schnappte er nach Luft, senkte den Kopf und begann zu würgen. Der Golem sah bekümmert zu. »Deine Schmerzen werden stärker«, sagte sie.
    Rotfeld hustete und fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund. »Ich hab’s dir schon gesagt, es ist nicht der Rede wert.« Er versuchte, sich aufzurichten, schwankte und fiel auf die Knie. Panik überkam ihn, als ihm klar wurde, dass mit ihm ernsthaft etwas nicht stimmte.
    »Hilf mir«, flüsterte

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