Gondeln aus Glas
genannt? Ja, richtig. Den polnischen Schleichweg ins Chaos. Hübsch formuliert, wenn auch ein wenig polemisch.
Tron richtete sich in seinem Sessel auf und sagte feierlich: «Ich kann einer solchen Künstlerin nicht das Programm vorschreiben, Maria. Dass sie nach vier Jahren zum ersten Mal wieder öffentlich spielt, ist eine Sensation. Und deshalb wird dieser Ball eine Menge Staub aufwirbeln. Da fällt immer noch genug Aufmerksamkeit für das Glas ab.» Er bemühte sich um ein vorwurfsvolles Gesicht. «Ich bin in dieser Angelegenheit die letzten zwei Monate jede Woche im Palazzo Mocenigo gewesen.» Ein leises Stöhnen entwich ihm. «Du machst dir ja keine Vorstellung davon, wie kapriziös diese polnischen Künstlerinnen sind.»
Das war die Potocki wirklich, und genau deshalb ging sie ihm auch langsam auf die Nerven. Aber das hätte Tron nie zugegeben. Denn er hatte sofort erkannt, dass sich hier eine hervorragende Gelegenheit bot, eine Prise Eifersucht ins Herz der Principessa zu streuen. Tron fand, dass sie ihn in letzter Zeit arg vernachlässigte – sie hatte nur noch das Tron-Glas im Kopf. War es nicht so, dass ein wenig Eifersucht eine Beziehung neu beleben konnte?
Erstaunlicherweise funktionierte das Manöver.
Die Principessa schien mittlerweile eine regelrechte Abneigung gegen die Polin entwickelt zu haben.
Oder … tat sie etwa nur so? Bei ihr konnte man nie wissen.
«Entschuldige, wenn sich mein Mitleid mit dir in Grenzen hält.» Die Principessa betrachtete Tron mit zusammengekniffenen Augen. «Erzähl mir nicht, dass du unter euren vielen Rencontres übermäßig gelitten hast.»
Nein, das zu erzählen hatte er nicht vor. «Wenn du darauf anspielst, dass sie den Emporio della Poesia schätzt und von dieser Wertschätzung auch der Herausgeber profitiert, kann ich nur sagen, dass die Frau etwas von Literatur versteht. Das war ein glücklicher Umstand, den ich einfach ausnutzen musste.» Er klappte die Gazetta di Venezia zusammen, legte sie neben den Aschenbecher der Principessa und schoss noch einen weiteren Pfeil ab. «Abgesehen davon spielt sie wirklich göttlich.»
«Hat sie für dich gespielt?»
«Natürlich. Auch Chopins a-Moll-Mazurka, die du ausnahmsweise schätzt. Wie gut Konstancja Potocki ist, kann sich jemand, der sie noch nie gehört hat, schwer vorstellen.»
Die Principessa lächelte. «Wer sagt, dass ich sie noch nie gehört habe?»
Tron hob überrascht die Augenbrauen. «Du warst auf einem ihrer Konzerte?»
«Vor vier Jahren in der Salle Pleyel.»
«Warum hast du das nie erwähnt?»
«Weil du sofort nervös wirst, wenn ich von Paris rede.»
Die Principessa zündete sich eine Zigarette an, inhalierte tief und blies einen Rauchring über den Tisch. «Ihr Venezianer macht euch immer übertriebene Vorstellungen vom Pariser Nachtleben.»
Tron hob resigniert die Schultern. «Wir Provinzler.»
«Sei doch nicht gleich beleidigt.»
«Bin ich gar nicht. Ich finde es nur bedauerlich, dass mein Verhandlungsgeschick so wenig gewürdigt wird.» Tron nahm sich eines der knusprigen baicoli aus der Silberschale auf dem Tischchen. «Wie du dich erinnerst, war es ein Problem, überhaupt mit ihr Kontakt aufzunehmen. So zurückgezogen, wie sie lebt.»
Die Principessa schickte ein spöttisches Lächeln über den Tisch. «Dass du es geschafft hast, war nicht dein Verdienst. Du hast einfach das Glück gehabt, dass der Potocki jemand auf der Piazza die Börse gestohlen hat und ihr sie ihr schnell wieder besorgen konntet.»
Es ging nicht anders. Tron musste unwillkürlich grinsen. Das war allerdings ein Fehler.
Die Zigarette, die die Principessa gerade zum Mund führen wollte, blieb in der Luft stehen. «Moment mal. Gibt es einen Grund dafür, dass du so grinst?»
Die Principessa runzelte die Stirn und sah Tron misstrauisch an. Der konnte jetzt förmlich zusehen, wie ihr Verstand auf Touren kam. Dann schien es zu klicken, so als würde man die Kombination eines Safeschlosses drehen. Etwas rastete ein, und die Züge der Principessa erstarrten zu Eis. Sie sah Tron direkt in die Augen. «Du hast doch nicht etwa Angelina dazu angestiftet, diese Börse zu stehlen?»
Volltreffer. Jetzt zu leugnen war erfahrungsgemäß sinnlos. Da war es besser, gleich mit der Wahrheit herauszurücken. «Ich schwöre es dir, Maria. Wir hatten lediglich ein …» Ja, was denn? Er verstummte kläglich.
Die Stimme der Principessa klang äußerst kontrolliert, aber sie war scharf wie ein Peitschenknall. «Ein was,
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