Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)
eine Menge Selbstbewusstsein erfordert.
Sie sehen großartig aus, aber irgendwie, als würden sie sich schämen. Ich komplimentiere sie zum Sofa, und eine Sekunde sitzen wir schweigend da.
»Kinder, eure Mutter und ich, wir haben uns anscheinend …«, beginnt mein Vater schließlich, und unterbricht sich, um zu husten. Dann legt er die Hände auf die Knie, seine kräftigen Fingerknöchel sind blass. »Tja, anscheinend haben wir uns finanziell in ein Fiasko größeren Ausmaßes manövriert.«
Ich weiß nicht, wie ich reagieren soll: schockiert, tröstend, enttäuscht? Noch nie haben mir meine Eltern irgendwelche Probleme gebeichtet. Ich glaube, sie hatten nie welche.
»Tatsache ist, dass wir unverantwortlich waren«, fährt Marybeth fort. »Wir haben das letzte Jahrzehnt so gelebt, als würden wir genauso viel Geld verdienen wie die vorangegangenen zwei Jahrzehnte, aber das war nicht so. Wir haben nur ungefähr die Hälfte eingenommen, aber das wollten wir nicht wahrhaben. Wir waren … ›optimistisch‹ wäre eine freundliche Art, es zu beschreiben. Wir dachten einfach immer, das nächste Amy-Buch wird uns schon retten. Aber das ist nicht passiert. Und wir haben auch ein paar schlechte Entscheidungen getroffen. Unklug investiert. Zu viel ausgegeben. Und jetzt …«
»Jetzt sind wir praktisch pleite«, vollendet Rand den Satz. »Unser Haus, dieses Haus hier, alles unter Wasser.«
Ich hatte gedacht – ich war davon ausgegangen –, dass sie das Haus eigens für uns gekauft haben. Ich hatte keine Ahnung, dass sie es noch abbezahlen. Auf einmal schäme ich mich, denn ich bin genauso behütet und naiv, wie Nick immer behauptet.
»Wie gesagt, wir haben einige gravierende Fehler gemacht«, übernimmt Marybeth wieder. »Wir sollten ein Buch schreiben mit dem Titel: Amazing Amy und die zinsvariable Hypothek . Bei jedem Test würden wir durchfallen. Wir wären das warnende Beispiel für alle. Amys Freundin Wendy Will-alles-und-zwar-sofort.«
»Karl Kopf-im-Sand«, fügt Rand hinzu.
»Und was passiert jetzt?«, frage ich.
»Das liegt ausschließlich an euch«, antwortet mein Dad. Meine Mom fischt eine selbstgemachte Broschüre aus ihrer Handtasche und legt sie vor uns auf den Tisch – Tabellen und Graphiken und Diagramme, die meine Eltern zu Hause auf ihrem eigenen PC erstellt haben. Es bringt mich um, mir vorzustellen, wie sie mit zusammengekniffenen Augen über dem Benutzerhandbuch hängen und sich bemühen, ihren Vorschlag für mich hübsch aussehen zu lassen.
Marybeth beginnt mit dem Verkaufsgespräch: »Wir wollten fragen, ob wir ein bisschen Geld von deinem Trustfonds leihen könnten, während wir uns überlegen, was wir mit dem Rest unseres Lebens anfangen.«
Wie eifrige College-Kids, die auf ihren ersten Praktikumsplatz hoffen, so sitzen meine Eltern vor uns. Mein Vater hibbelt mit dem Knie, bis meine Mutter sanft eine Fingerspitze darauflegt.
»Also, der Trustfonds ist doch euer Geld, natürlich könnt ihr euch was davon leihen«, sage ich. Ich möchte das alles hinter mich bringen, ich ertrage den hoffnungsvollen Ausdruck auf den Gesichtern meiner Eltern nicht. »Wie viel braucht ihr denn, um alles zu bezahlen und euch eine Weile sorglos zu fühlen?«
Mein Vater blickt auf seine Schuhe. Meine Mutter holt tief Luft. »Sechshundertfünfzigtausend«, antwortet sie dann.
»Oh.« Mehr kriege ich nicht heraus. Das ist nahezu alles, was wir haben.
»Amy, vielleicht sollten du und ich besprechen …«, meldet Nick sich zu Wort.
»Nein, nein, wir machen das«, unterbreche ich ihn sofort. »Ich hole nur schnell mein Scheckheft.«
»Eigentlich wäre es das Beste, wenn du es morgen telegraphisch auf unser Konto überweisen könntest. Sonst müssen wir zehn Tage warten.«
Spätestens jetzt weiß ich, dass sie echt in Schwierigkeiten stecken.
Nick Dunne
Zwei Tage danach
Ich erwachte auf der Ausziehcouch in der Suite der Elliotts, völlig erledigt. Sie hatten darauf bestanden, dass ich bei ihnen übernachtete – in mein Haus durfte ich noch nicht –, hatten mit der gleichen Dringlichkeit darauf bestanden, wie sie sich früher im Restaurant die Rechnung geschnappt hatten: Gastfreundschaft als unwiderstehliche Naturgewalt. Das musst du uns für dich tun lassen . Also blieb ich. Und verbrachte die Nacht damit, ihrem Schnarchen aus dem Nebenzimmer zu lauschen, eines tief und regelmäßig – ein zünftiges Holzfällerschnarchen –, das andere keuchend und unregelmäßig, als würde der Schläfer
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