Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)
vom Ertrinken träumen.
Früher konnte ich mich immer ausschalten wie eine Lampe. Ich schlafe jetzt, sagte ich, die Hände in Gebetshaltung an der Wange, und schon ging es los mit Zzzzzzz , dem tiefen Schlaf eines mit Wick Medinait abgefüllten Kindes – während meine schlaflose Frau sich neben mir im Bett herumwälzte. Aber letzte Nacht fühlte ich mich wie Amy, mein Kopf konnte nicht aufhören zu denken, es kribbelte mich am ganzen Körper. Früher habe ich mich die meiste Zeit in meiner Haut wohl gefühlt. Wenn Amy und ich zum Fernsehen auf dem Sofa saßen, verwandelte ich mich in weiches Wachs, während meine Frau neben mir unablässig herumrutschte und keine Sekunde stillhalten konnte. Einmal fragte ich sie, ob sie vielleicht das Restless-Legs-Syndrom hätte – es gab für die Krankheit gerade eine Anzeigenkampagne, in der Schauspieler mit gequältem Gesicht die Waden ausschüttelten und sich die Schenkel massierten –, und Amy antwortete: Ich hab das Überall-Unruhe-Syndrom.
Ich beobachtete, wie die Decke des Hotelzimmers erst grau, dann rosa und schließlich gelb wurde, dann richtete ich mich schließlich auf und sah, dass die Sonne direkt auf mich herabknallte, über den Fluss, und wieder wurde ich aufs Korn genommen. Dann tauchten die Namen in meinem Gedächtnis auf – pling! Hilary Handy. Ein bezaubernder Name für jemanden, den man einer schrecklichen Tat verdächtigte. Desi Collings, ein ehemaliger Besessener, der nur eine Stunde entfernt wohnte. Ich hatte beide für mich beansprucht. Wir leben in einer Do-it-yourself-Ära: Gesundheitsvorsorge, Immobilien, Polizeiermittlungen. Geh ins Internet und krieg es selbst raus, verdammt, denn wir alle sind überarbeitet, und es mangelt an Personal. Immerhin war ich Journalist ! Über zehn Jahre lang hatte ich meinen Lebensunterhalt damit verdient, Leute zu interviewen und ihnen Geständnisse zu entlocken. Ich war wie gemacht für die Aufgabe, und Marybeth und Rand waren ganz meiner Ansicht. Ich war dankbar, dass sie mir immer noch ihr Vertrauen schenkten – als Ehemann unter einer leichten Wolke des Verdachts. Oder mache ich mir mit dem Wort »leicht« etwas vor?
Das Days Inn hatte einen selten benutzten Ballsaal als Kommandozentrale für Findet Amy Dunne zur Verfügung gestellt. Der Raum war höchst unpassend – braune Flecken und abgestandene Gerüche –, aber bereits kurz nach der Morgendämmerung machte Marybeth sich daran, ihn herzurichten, saugte Staub, wischte den Boden, arrangierte Anschlagtafeln und Telefonpools, hängte ein großes Porträt von Amy an die Wand. Das Bild – mit Amys coolem, selbstbewusstem Blick, den Augen, die einem folgten – sah aus wie von einer Wahlkampagne. Als Marybeth fertig war, summte der Raum förmlich vor Produktivität – die dringliche Zuversicht eines ernsthaft unterlegenen Kandidaten mit einer Gruppe treuer Anhänger, die sich weigerten aufzugeben.
Kurz nach zehn erschien Boney, das Handy am Ohr. Sie klopfte mir auf die Schulter und begann, mit einem Drucker herumzuwerkeln. Die Freiwilligen trudelten grüppchenweise ein: Go und ein halbes Dutzend Freundinnen unserer toten Mutter. Fünf Frauen in den Vierzigern, alle in Caprihosen, als probten sie für eine Tanz-Show: Zwei von ihnen – schlank, blond und sonnengebräunt – wetteiferten um die Führerschaft, die anderen fanden sich fröhlich mit der zweiten Geige ab. Ein Trupp geschwätziger weißhaariger alter Damen, die sich gegenseitig ständig ins Wort fielen. Ein paar schrieben SMS, und alle gehörten zu der Art von älteren Menschen mit einem verblüffenden Energieniveau – so viel jugendliche Lebenskraft, dass man sich unwillkürlich fragte, ob sie es einem gezielt unter die Nase reiben wollten. Nur ein einziger Mann tauchte auf, ein attraktiver Typ etwa in meinem Alter, gut gekleidet, allein, ohne zu merken, dass man für seine Anwesenheit gut eine Erklärung hätte brauchen können. Ich beobachtete ihn, wie er am Gebäck herumschnüffelte und verstohlene Blicke auf Amys Foto warf.
Als Boney den Drucker fertig installiert hatte, griff sie sich ein Kleie-Muffin und stellte sich neben mich.
»Schauen Sie sich eigentlich alle Freiwilligen vorher an?«, fragte ich. »Ich meine, falls jemand …«
»Falls jemand ein verdächtiges Übermaß an Interesse zeigt? Selbstverständlich.« Sie brach den Rand des Muffins ab, steckte ihn in den Mund und fuhr mit gesenkter Stimme fort: »Aber um die Wahrheit zu sagen – Serienkiller sehen sich
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