GONE Lügen
wir. Ist doch unglaublich, dass Sam nicht aufgekreuzt ist, oder? Die fürchten sich vor uns.«
Das letzte Stück ihres Wegs legten sie auf den zerfurchten Feldern zurück. Wenn sie erst da wären, bekämen sie sauberes Wasser zu trinken. Zu essen gab es dort auch nichts, aber wenigstens hatten Emily und Bruder ihren eigenen Brunnen. Da die Pumpe nicht mehr funktionierte und alles von Hand heraufgepumpt werden musste, reichte das Wasser zwar nicht für eine Dusche oder so, aber trinken konnten sie, so viel sie wollten. Im unter Dürre und Hunger leidenden Perdido Beach war sauberes Trinkwasser zum Luxusgut geworden.
Sperry Beach.
Warum eigentlich nicht?
Zil stieg als Erster die Treppen zur Veranda hinauf. »Emily!«, rief er. »Wir sind’s!«
Er klopfte. Das tat er sonst nie, da Emily sie bisher immer mit ihrem Freaktrick begrüßt hatte und hinter ihm aufgetaucht war. Manchmal ließ sie auch einfach das Haus verschwinden. Dann rannten sie wie ratlose Idioten durch die Gegend.
Freak. Sie würde auch noch drankommen. Sobald Zil sie nicht mehr brauchte.
Emily öffnete die Tür.
Zils Instinkte schlugen sofort Alarm.
Er wollte einen Schritt zurückmachen, kam aber nicht weit, denn plötzlich hatte er das Gefühl, von einem unsichtbaren Riesen gepackt zu werden.
Er verlor den Boden unter den Füßen und schleifte mit den Zehen über die Planken, während er an Emily vorbei ins Haus gezogen wurde, die einen Schritt zur Seite machte und ihn betreten ansah.
»Lass mich los!«, schrie Zil. Dann erkannte er jedoch, wer ihn in den Klauen hatte, und verstummte augenblicklich. Auf dem Sofa vor ihm saß Caine, und obwohl sich seine Hand kaum bewegte, hatte er Zil eisern im Griff.
Zils Herz fing an zu hämmern. Wenn es einen Freak gab, der so gefährlich war wie Sam, dann Caine. Oder sogar noch gefährlicher, denn es gab Dinge, die Sam im Gegensatz zu Caine nie tun würde.
»Lass mich runter!«
Caine stellte Zil sanft auf den Boden.
»Hör auf zu schreien, okay?«, meinte Caine müde. »Mir tut der Kopf weh, außerdem bin ich nicht hier, um dir wehzutun.«
»Freak!«, zischte Zil.
»Aber ja«, erwiderte Caine. »Ich bin ein Freak. Und wenn ich wollte, könnte ich dich so oft gegen die Decke knallen lassen, bis von dir nichts mehr übrig wäre außer einem Häufchen Hackfleisch.«
Zil starrte ihn hasserfüllt an.
»Sag deinen Jungs, sie sollen reinkommen!«, befahl Caine.
»Was willst du?«
»Mich unterhalten.« Caine breitete in einer friedlichen Geste die Hände aus. »Hör mal, du Arschgesicht, wenn ich euch töten wollte, hätte ich es längst getan. Dich und deine gesamte Loser-Crew.«
Caine hatte sich verändert. Von der feinen Schuluniform, dem teuren Haarschnitt, der Sonnenbräune und dem durchtrainierten Körper war nichts mehr übrig. Caine war zu einem Schatten seiner selbst verkommen.
»Hank, Turk, Lance, Antoine!«, schrie Zil. »Kommt rein!«
»Setz dich.« Caine deutete auf den verstellbaren Lehnstuhl.
Zil setzte sich.
»Also«, begann Caine im Plauderton. »Wie ich höre, bist du kein großer Fan von meinem Bruder Sam.«
»Die FAYZ gehört den Menschen«, murmelte Zil, »nicht den Freaks.«
»Ja, ja«, erwiderte Caine. Eine Sekunde lang schien er sich in sich selbst zurückzuziehen. Geschwächt vom Hunge r – oder etwas anderem. Doch gleich darauf riss sich der Freak zusammen und setzt e – offensichtlich mit großer Müh e – die für ihn typische überhebliche Miene auf.
»Ich habe einen Plan«, sagte Caine, »und du bist ein Teil davon.«
»Der Führer macht die Pläne«, sagte Turk und bewies damit mehr Kaltblütigkeit, als Zil ihm zugetraut hätte.
»Verstehe. Also, Führer Zil«, sprach Caine mit einem Anflug von Sarkasmus weiter. »Du wirst ihn mögen, diesen Plan. Er endet damit, dass du das Kommando in Perdido Beach hast.«
Zil lehnte sich zurück. »Okay, ich höre.«
»Gut«, erwiderte Caine. »Ich brauche ein paar Boote.«
»Boote?«, wiederholte Zil vorsichtig. »Wozu?«
»Hab Lust auf eine Kreuzfahrt«, antwortete Caine.
Gegen Mittag ging Sam zu Astrids Haus. Obwohl es nicht das Haus ihrer Eltern wa r – das hatte Drake Merwin vor Monaten in Schutt und Asche geleg t – und außer ihr auch noch ihr Bruder Pete, Mary Terrafino, deren Bruder John und Sam darin lebten, nannten alle es immer nur Astrids Haus.
Astrid war im Garten. Der kleine Pete hockte auf den Verandastufen und spielte mit einem Gameboy, der schon lange keinen Saft mehr hatte. Die wenigen Batterien,
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