GONE Lügen
was wie Superreiche?«, fragte Penny.
»Wir nicht, unsere Eltern«, erwiderte Virtue.
»Unsere Adoptiveltern«, fügte Sanjit hinzu.
»Wie sieht es mit euren Vorräten aus?«, fragte Caine unverblümt, dem es nicht gefiel, dass Sanjit keine Angst vor ihm hatte.
»Choo, wie viele Lebensmittel haben wir noch?«
Virtue zuckte die Achseln. »Nach meiner letzten Berechnung reichen sie für uns beide noch sechs Monate.«
»Ihr seid hier nur zu zweit?«, fragte Diana.
»Ich dachte, eure Eltern hätten mindestens zehn Kinder«, sagte die Wanze.
»Wir sind fünf Geschwister«, erklärte Sanjit. »Es waren aber nicht alle auf der Insel.«
Diana nahm ihm das nicht ab, aber sie schwieg.
Caine sah sie prüfend an. »Diana, hast du unsere beiden Freunde schon gelesen?«
An Sanjit gewandt sagte sie: »Ich muss kurz deine Hand halten.«
»Wozu?«, wollte Virtue wissen.
»Ich kann feststellen, ob ihr irgendwelche Kräfte habt.«
»So wie er?« Sanjit nickte in Richtung Caine.
»Ja.«
Sanjit hielt ihr die Hand hin. Mit der Handfläche nach oben. Als würde er ihnen ein Friedensangebot machen. Die offene Hand als Zeichen des Vertrauens. Doch in seinem Blick sah sie tiefsten Argwohn.
Diana nahm seine Hand, die im Gegensatz zu ihrer eigenen völlig entspannt war. Dann schloss sie die Augen und konzentrierte sich. Es war lange her, seit sie jemanden gelesen hatte. Als sie sich zu erinnern versuchte, wie sie das gemacht hatte, tauchten in ihrem Gedächtnis nur Bruchstücke auf. Doch dann spürte sie, dass es funktionierte. Sie drückte die Augen noch fester zu, erleichtert und ängstlich zugleich.
»Er ist eine Null«, sagte sie und an Sanjit gerichtet fügte sie hinzu: »Entschuldige, ich meine nicht dich, sondern deine Kraft.«
»Das ist mir schon klar.«
»Jetzt du«, forderte sie Virtue auf.
Virtue streckte ihr die Rechte wie zum Händeschütteln entgegen. Die Finger leicht gekrümmt, als überlegte er sich, sie zur Faust zu ballen. Diana nahm sie und spürte sofort etwas. Er war aber nicht einmal ein Zweier. Sie fragte sich, welche Kraft er wohl hatte und ob sie ihm schon bewusst war.
Die Mutationen traten unterschiedlich stark und zu unterschiedlichen Zeitpunkten auf. Die meisten Kids schienen keine Kräfte zu entwickeln. Manche entwickelten welche, die sinnlos waren. Und die Stärke vier war Diana bisher nur zweimal untergekommen: bei Caine und bei Sam.
»Er ist ein Einser«, teilte sie Caine mit.
Caine nickte. »Das ist gut und schlecht zugleich. Schlecht, weil ihr sonst für mich nützlich wärt. Und gut, weil ich keinen Grund habe, euch zu fürchten.«
»Das klingt ziemlich bescheuert«, sagte Sanjit.
Die Wanze und Penny starrten ihn fassungslos an.
»Ich meine, das ergibt doch keinen Sinn. Wenn Virtue und ich diese Kräfte hätten, von denen du sprichst, wären wir eine Bedrohung für euch. Wie sollten wir euch da nützen?« Er schickte seinen Worten ein unschuldig wirkendes Lächeln hinterher.
Als Caine das Lächeln erwiderte, sah es aus, als grinste der große Hai den kleinen Nemo an.
Obwohl das nicht ganz zutraf. Dafür war Sanjits Lächeln viel zu schlau. Als wäre ihm bewusst, dass er ein gefährliches Spiel trieb.
Es gab nur einen Menschen, der Caine ungestraft die Stirn bieten durfte: Diana. Und das nur, weil das ihren Reiz für ihn ausmachte.
Wenn aber Sanjit dachte, er könnte sich das auch erlauben, lag er falsch. Diana fragte sich, ob es eine Möglichkeit gab, ihn zu warnen und ihm zu sagen, dass er es nicht mit dem üblichen Schulhofschläger zu tun hatte.
In Caines Augen glitzerte es gefährlich. Sie spürte, dass alle den Atem anhielten. Aber Sanjit hielt Caines Blick stand und hörte nicht auf, auf seine ansteckende Art zu lächeln.
»Bring mir noch was zu essen«, sagte Caine schließlich.
»Mit dem größten Vergnügen.«
Virtue folgte Sanjit aus dem Zimmer.
»Er lügt«, raunte Caine Diana zu.
»Die meisten Menschen lügen.«
»Aber du nicht, Diana. Du lügst mich nicht an.«
»Natürlich nicht.«
»Er verheimlicht uns was«, sagte Caine. Doch dann kehrten Sanjit und Virtue mit einem Tablett zurück, das sich unter Pfirsichkonserven, einer Schachtel Vollkorncracker und zwei großen Gläsern mit Marmelade und Erdnussbutter bog. Unvorstellbare Luxusgüter, viel mehr wert als alles Gold der Welt.
Was immer Sanjit ihnen auch verheimlichen wollte, dachte Diana, war unbedeutend im Vergleich zu dem, was er ihnen gab.
Sie aßen und aßen und scherten sich nicht um die Krämpfe
Weitere Kostenlose Bücher