Google-Mitarbeiter Nr. 59
dem, was jetzt auf uns zukäme. Wir sollten nicht zulassen, dass sich die Unternehmenskultur änderte, und uns nicht von dem Hype einholen lassen.
Als die Fragerunde eröffnet wurde, ging Keith Kleiner, einer der ersten Mitarbeiter aus dem Bereich Operations, ans Mikro. »Ich wollte nur sagen«, begann er und sah Larry und Sergey an, »…danke. Ihr Jungs habt einen unglaublichen Job geleistet, diese Firma aufzubauen.« Der Applaus donnerte von den Sitzen, aus den Gängen, vom Balkon. Innerhalb von Sekunden waren alle Googler auf den Beinen und jubelten. Larry legte den Arm um Sergeys Schulter und strahlte die Menge an. Sergey erwiderte es. Zwei Minuten lang rollten die Wellen reiner Anerkennung über die Gründer hinweg, während Eric neben ihnen stand und wie ein Dirigent auf zwei virtuose Geigenspieler zeigte.
Nach dem Meeting gingen wir zurück an unsere Schreibtische und an die Arbeit. Ich blieb bis nach 6 Uhr, dann schnappte ich mir mein Laptop und eilte zum »Sports-Page-Bar-und-Grill« um die Ecke. Unter Googlern liebevoll als das »Shit Hole« bekannt, war es eine flippige Holz- und Kunststoffhütte mit einem riesigen Innenhof, der perfekt war für inoffizielle Partys. Lori Park, eine der als ersten eingestellten Techniker, hatte es für eine kleine Feier von Oldtime-Googlern gemietet. Salar war da und Susan brachte ihre Kinder mit. Bart aus den Anzeigen Operations und die Bizdev-Jungs, die von Netscape zu uns gekommen waren. Orkut, Ben Smith und Ben Gomes kamen vorbei, Radhika, Ed Karrels und Wayne. Die Blogger Jungs. Craig und Georges. Und Babette, die nun eine Armee von Massagetherapeuten bei Google befehligte. Ich dachte vier Jahre zurück an den Anfang des Jahres 2000 und fühlte mich meinen Kollegen so nah wie eh und je. Wir hatten diesen Aufstieg gemeinsam gemeistert und für einen kurzen Moment konnten wir innehalten und über die Reise nachdenken, die uns bis hierher gebracht hatte.
Ich hatte eine Kopie des S-1 ausgedruckt (wie die meisten aus der Firma es getan hatten, die Drucker hatten den Tag über nicht stillgestanden) und marschierte mit einem roten Edding herum und sammelte Unterschriften von Larry und Sergey, Craig und unserem Chief Legal Officer, David Drummond. Ich wollte etwas Greifbares, um zu beweisen, dass ich dabei gewesen war, den Moment einfrieren, in dem meine Silicon-Valley-Fantasie sich zur Realität verdichtete.
Ich trank mein Bier aus und fuhr nach Hause.
Geld für nichts
Die folgenden Monate unterschieden sich nicht groß von denen davor. Das Gmail-Datenschutzproblem hatte sich endlich beruhigt. Liz Figueroa ließ von ihrem Plan mit dem Gesetz ab. Cindy und ich klärten die Punkte, die sie in ihrer nächtlichen Brandmail angesprochen hatte. Die Anspannung ließ nach, der Druck jedoch nicht. Ich investierte weiterhin viele Stunden Arbeit in das Erstellen von Prinzipien hinsichtlich Scumware und ich kämpfte für die Freiheitsurkunde der User, die es jedoch nicht über den Top-Führungskreis hinausschaffte.
Wir führten einen Unternehmensblog ein, obwohl das riskant war, weil wir durch das Einreichen der S-1-Erklärung einer von der Regierung verfügten »Schweigephase« unterstellt waren. Wir konnten nichts posten, das als Werbung zum Kauf unserer Aktien bei der Börseneinführung gewertet werden durfte. Mein erster Eintrag drehte sich um die Rekrutierung für unser europäisches Büro. Mein zweiter war eine Entschuldigung für das Korrigieren des ersten Posts, nachdem dieser bereits abgeschickt war. Ich lernte immer noch dazu: Dinge wie Blogger-Benimmregeln.
Ich lief weiterhin mit dem Kopf vor die Wand zwischen Corporate Marketing und Produktmanagement und brachte mir mit meinen Bemühungen nicht viel mehr als eine Migräne ein. Jede Woche ging ich zu Marissas Einführungsmeetings, erhaschte jedoch nur gelegentlich Blicke auf Dinge, die noch am Anfang ihrer Entwicklung standen. Eines dieser Projekte war die Desktop-Suche, die jetzt »Fluffy Bunnies« hieß, weil der ursprüngliche Name »Total Recall« aus Datenschutzgründen als zu beängstigend galt. Fluffy Bunny würde die Festplatte eines PCs indexieren und durchsuchbar machen. Ich argumentierte vehement dafür, dass wir die User im Vorfeld warnen sollten: »Dieses Produkt ist nicht wie andere, die Sie vielleicht schon benutzt haben. Bitte lesen Sie die Datenschutzerklärung sorgfältig« – aber mein Ton wurde als zu schwarzseherisch empfunden. Ich überzeugte das Team, die Zeile »Durchsuche deinen eigenen
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