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Gorian 2

Gorian 2

Titel: Gorian 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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erkennen. Unwirksam für den geschulten Geist …
    »Sei dir dessen niemals zu sicher«, widersprach der Namenlose Renegat. Es gefiel Gorian nicht, dass sein Gegenüber nicht nur ungefragt, sondern auch noch unbemerkt in seine Gedanken eindringen konnte. Doch auch auf diese ärgerliche Regung antwortete der Bibliothekar sogleich. »Es ist keine Zeit für unnötige Höflichkeit oder Rücksichtnahme auf deine Empfindlichkeiten. Die Zukunft bildet sich, und der Strom des Schicksals fließt manchmal nicht in sein eigentlich vorherbestimmtes Bett, sondern sucht sich einen eigenen Weg.«
    »Sagt mir, was Ihr von mir wollt!«, erwiderte Gorian schroffer als eigentlich beabsichtigt.

    Der Namenlose Renegat hatte die Kapuze seiner Kutte nach hinten geschlagen. Sein Caladran-Gesicht wirkte ernst, und dem intensiven Blick seiner schräg gestellten Augen war etwas Falkenhaftes eigen. »Mit deiner Magie hast du zwei Wesen besiegt, in denen die Menschen des Nordens Götter sahen, obwohl sie in Wirklichkeit nichts weiter waren als groteske Monstren, denen das Schicksal sterblicher Wesen vollkommen gleichgültig war.«
    »Das scheinen Aggr und Paggr mit den Caladran gemein gehabt zu haben«, konnte sich Gorian eine spitze Bemerkung nicht verkneifen. Diplomatie war etwas anderes, aber zumindest in einem Punkt stimmte er dem Namenlosen Renegaten zu: Für Höflichkeiten und Rücksichtnahmen war keine Zeit mehr. Die Lage war mehr als bedrohlich, daran änderte auch die Vernichtung der beiden Kristallbrüder nichts. Ein Aufschub war alles, was ihnen der Sieg eingebracht hatte, und der war zu einem sehr hohen Preis erkauft worden: vollkommene magische Schwäche.
    »Diese Schwäche geht vorüber«, versicherte der uralte Caladran-Renegat. »Du glaubst, dass dein Talent nicht mehr vorhanden wäre, aber das stimmt nicht.«
    »Warum spüre ich es dann nicht?«
    »Du durchschaust die einfachen Illusionen der Caladran-Magie. Das sollte dir Beweis genug sein, dass es stimmt, was ich sage. Deine Kräfte sind noch vorhanden, aber du hast im Augenblick keinen bewussten Zugriff darauf. Es beunruhigt dich, dass du deine innere Kraft plötzlich nicht mehr spürst, dass du auf magischer Ebene taub und blind scheinst, und du vermisst die Gedankenverbindung zu diesem Mädchen, das in deiner Begleitung war, als wir uns das erste Mal trafen. Vor allem machst du dir Sorgen um deine Gefährten, fragst dich, ob der Eishauch der Kristallbrüder
sie ausgelöscht hat. Aber deine Sorgen sind unbegründet, denn keiner deiner Begleiter ist ohne magisches Potenzial, sodass sie sich schützen konnten.«
    Gorian schluckte. »Da Ihr in meinen Gedanken lesen könnt wie in einem offenen Buch, was wollt Ihr dann noch mit mir besprechen? Wieso hat mich Euer maskierter Bewacher hergebracht? Was wollt …«
    Ein Scheppern ließ Gorian verstummen. Es folgte ein Laut, der wie ein Todesröcheln klang und dann erstarb.
    Gorian ging an dem Namenlosen Renegaten vorbei auf ein Stück Felswand zu, das seine Aufmerksamkeit erregte, weil es nicht von Regalen verdeckt war. Im nächsten Moment zeigte sich ihm ein offener Durchgang in einen weiteren Raum. Und ganz schwach spürte er auch wieder seine Magie, die er schon verloren geglaubt hatte.
    Der Durchgang führte in einen weiteren Bibliotheksraum, der allerdings deutlich kleiner war als diejenigen, die Gorian bisher betreten hatte.
    Der Diener, der Gorian und seine Begleiter am Tag ihrer Ankunft in Felsenburg in die Bibliotheksgewölbe geführt hatte, saß vollkommen erschlafft auf einem Stuhl aus dunklem Ebenholz. Nur die verzierten Armlehnen hinderten seinen Körper daran, von der Sitzfläche zu rutschen. Die starren Augen ließen keinen Zweifel, dass er nicht mehr lebte – und der messingfarbene Kelch, der zu Boden gefallen war, schien die Ursache dafür zu sein. Reste eines Caladran-Tranks waren herausgespritzt.
    »Was bedeutet das?«, fragte Gorian den Namenlosen Renegaten, der ihm mit dem Maskierten gefolgt war.
    »Nichts. Er wusste, dass er uns auf unsere Reise nicht begleiten kann, und hat es deshalb vorgezogen, den Trank des Ewigen Schlafes zu sich zu nehmen. Dieser Trank enthält
genug Magie, um zu verhindern, dass er zu grausigem Scheinleben wiedererwacht wie all die anderen, die in den Einflussbereich des Frostreichs geraten.«
    »Unsere Reise?«, fragte Gorian. »Von was für einer Reise sprecht Ihr?«
    Der Namenlose deutete auf eine Kiste, die aus demselben messingfarbenen Metall bestand wie Maske und Harnisch seines

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