Gorian 2
auch, Gorian unter seinen stampfenden Füßen zu zertreten, doch seine Angriffe waren leicht vorhersehbar, und allein diesem Umstand hatte es Gorian zu verdanken, dass er noch lebte.
»Zerquetschen werde ich dich, Mörder!«
Je wütender Paggr wurde, desto schlechter waren seine Schläge gezielt.
Gorian hatte sich bei seiner Flucht immer mehr dem Flammenkreis genähert, den der Maskierte entzündet hatte. Er fragte sich, ob es ihm wohl möglich war, den Feuerkreis einfach zu durchschreiten. Aggr hatte dies versucht und
nicht geschafft, aber Gorian war kein magisches Wesen wie die Frostgötter.
Er verharrte dicht vor dem Flammenkreis. Der Kristallriese sank auf alle viere nieder und näherte sich ihm wie eine Katze auf der Jagd. Er bewegte sich langsam und hob die rechte Faust, in der sich gleichzeitig ein Maul und zwei Augen bildeten. Außerdem wuchsen ihm zusätzliche Arme aus dem Leib, manche lang und dünn und mit Spitzen an den Enden. Sie wirkten wie Schlangen aus Eis, und Paggr ließ sie peitschengleich über den Boden schnellen.
Eine davon erwischte Gorian, wickelte sich um seine Beine und riss ihn von den Füßen. Paggr zog ihn zu sich heran.
Doch Gorian durchschlug den eisigen Schlangenarm mit seinem Schwert und befreite sich rasch von jenem Stück, das sich wie eine Fessel um seine Beine geschlungen hatte. Es war nicht weiter schwer, es loszuwerden, denn es schmolz bereits.
Dann richtete Gorian das Schwert gegen den Kristallriesen und konzentrierte noch einmal alle Magie, die er noch in sich wachrufen konnte, in das Metall der Klinge.
Alle Kraft in einen einzigen Moment legen, das war die wahre Kunst der Schwertmeister. Mit der Macht seines Geistes erfasste er die Katapultgeschosse aus Sternenmetall, die überall in der weiteren Umgebung umherlagen, hob sie vom Boden und ließ sie durch die Luft schnellen, wie er es ansonsten mit seinem Schwert oder dem Dolch tat.
Dutzendfach durchschlugen die Metallkugeln den Körper des kristallenen Frostgottes, wobei sie aufglühten und auf absurden Flugbahnen wieder zurückkehrten, um den Eisriesen erneut zu traktieren. Ein paar trafen auch den Sockel der Felsensäule und sprengten ganze Stücke aus
dem Gestein. Der Flammenkreis um Felsenburg konnte sie nicht abfangen. Das magische Feuer reagierte zwar, indem die Flammen deutlich sichtbarer aufloderten, aber mehr geschah nicht.
Paggrs Eiskristallkörper wurde von den magisch aufgeladenen Geschossen regelrecht zerschlagen und lag schließlich zerschmettert am Boden.
Aber seine Augen leuchteten noch, die Krater in seinem Kristallleib begannen sich wieder zu schließen, und abgeschlagene Stücke bildeten sich nach.
Gorian musste den Lebensfunken dieses Gottes ebenso auslöschen, wie es ihm bei Aggr gelungen war. Eine zweite Gelegenheit würde er nicht erhalten. Wenn er zu lange zögerte und sich der Eisriese wieder erholte, war alles vergebens.
Gorian fühlte seine Schwäche. Die letzte Attacke gegen seinen Gegner hatte ihm alles abverlangt. Da war keine innere Kraft mehr in ihm. Er konnte sie zumindest nicht spüren, was ihn zutiefst erschreckte, denn diese besonderen Kräfte hatten von Beginn an sein Leben geprägt.
Er entsann sich wieder an jenen Moment, als er im Alter von zwei Jahren im Boot seines Vaters erwacht war und die Augen geöffnet hatte. Die erste Erinnerung seines Lebens, der Moment, in dem alles begonnen hatte. Nur Augenblicke später hatte er den Angriff eines fliegenden Fisches vorhergesehen.
Er hatte damals natürlich nicht gewusst, welch besonderer Natur die Kräfte waren, die in ihm schlummerten. Zu selbstverständlich waren sie für ihn gewesen, zu sehr ein Teil seines innersten Selbst.
Und nun schienen sie fort zu sein. Nicht einmal ein magischer Sinn schien noch vorhanden.
Gorian stand wankend und zitternd da und sah hilflos zu, wie sich der darniederliegende Frostgott wieder zusammenfügte und erholte.
Das durfte nicht geschehen, dachte er voller Verzweiflung und sank auf die Knie.
Im entscheidenden Moment ohne die Macht, das zu tun, was richtig war …
Wie übel musste es das Schicksal mit ihm meinen, wenn dies seine Bestimmung sein sollte.
In diesem Augenblick bemerkte er eine Bewegung aus den Augenwinkeln. Er wandte den Kopf und sah, wie sich eine Gestalt aus dem grauen Stein der Felsensäule schälte. Da anscheinend selbst Gorians Gedanken von einer lähmenden Schwäche befallen waren, dauerte es einen Moment, bis er begriff, dass es sich um den Maskierten
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