Gorian 3
Schwert in der Hand. Es handelte sich um eine ganz gewöhnliche Waffe, wie sie sowohl innerhalb des Ordens als auch bei der Ritterschaft üblich war. »Auf die Dauer ganz schön schwer, so ein Ding«, meinte er. »Aber ich habe ja auch keine Magie zur Unterstützung, die ich in mir wachrufen könnte.«
»Vielleicht trägst du die falsche Waffe, und ein kleiner Dolch wäre für dich passender«, höhnte Serion aus Tejan. Gleichgültig, welche Fortschritte er im Schwertkampf gemacht haben mochte, mit seiner inneren Reifung schien es noch nicht allzu weit her zu sein.
Gorian folgte einer spontanen Regung. Kein Gedanke ging dem, was er tat, voraus. Es war eine Handlung, die aus dem Augenblick herauskam und für die eine sinnvolle Erklärung nicht möglich war. »Ein Dolch? Wie wär’s mit diesem?«, fragte er und riss Rächer hervor, schleuderte ihn nach Zog Yaal, bremste den Flug des Dolchs aber magisch ab und ließ ihn sich sogar noch drehen, sodass der Greifenreiter ihn problemlos aus der Luft greifen konnte.
»Eine Waffe aus Sternenmetall!«, stieß Zog Yaal hervor. »Was sollte einer wie ich damit anfangen können?«
Gorian lächelte. »Du hast sie gefangen.«
»Hier, nimm deinen Dolch zurück. Ein dreifacher Ordensmeister kann damit mehr bewirken als ich.« Er lachte. »Und falls sich doch zufällig die Gelegenheit für eine Heldentat ergeben sollte, so weiß ich ja, bei wem ich mir eine Waffe ausleihen kann.«
Gorian war in die Siebte Burg gekommen, um Meisterin Aawaa aufzusuchen.
Sie empfing ihn in einem Turmzimmer, das den wenigen Sehern des Ordens zur inneren Versenkung diente.
»Ich habe die Ausbildung in Eurem Ordenshaus sträflichst vernachlässigt«, gestand Gorian. »Inzwischen bereue ich dies, denn wenn ich zur Frostfeste aufbreche, um Morygor zu stellen, wäre es besser, mir stünde das Wissen um die Schicksalslinien zur Verfügung.«
Meisterin Aawaa sah Gorian lange an, dann antwortete sie: »Es würde Euch nur hinderlich sein, Meister Gorian.«
»Aber Morygor ist mir in der Sicht auf das zukünftige Schicksal weit voraus.«
»So weit, dass kein Meister des Ordens und vermutlich nicht einmal die Schamanen der Caladran ihm darin ebenbürtig sind. Missachtet das Schicksal. Tut das, was noch nicht geschrieben steht, ohne Rücksicht darauf, was ein anderer sagt.«
Gorian lächelte. »Es läuft immer auf das Gleiche hinaus: das Unerwartete zu tun.«
»Ich weiß, dass diese Erkenntnis für Euch nichts Neues mehr ist. Aber anscheinend habt Ihr eine Bestätigung gebraucht. «
An Deck der Hoffnung des Himmels standen jene, die auserwählt waren, Gorian zur Frostfeste zu begleiten. Außer Sheera und Hochmeister Thondaril waren das auch Eldamir und seine Maladran, deren Zahl sehr geschrumpft war. Einige waren während des Kampfes um den Spiegel vernichtet worden, aber andere waren schon zuvor einfach verschwunden.
»Manche sind so sehr ins Leben zurückgekehrt, dass sie sich uns nicht mehr zugehörig fühlten und sich auf eigene Faust davonmachten«, wurde Gorian von Eldamir erklärt. »Vielleicht glauben sie sogar, dass Erdenrund ohne den
Schein der Sonne ein guter Ort für sie sein könnte. Aber während die einen immer körperlicher wurden, sind andere verblasst und verschwunden, ohne dass selbst ich das gleich gemerkt hätte.«
Zu denen, die Gorian begleiten sollten, gehörte auch Zog Yaal. Hochmeister Thondaril hatte das verhindern wollen, aber Gorian war in dieser Frage unnachgiebig gewesen, schon deshalb, weil er dem Greifenreiter sein Wort gegeben hatte. Zog Yaal war mit einem Schwert bewaffnet und trug eine Seilschlange wie eine Schärpe um den Oberkörper geschlungen.
Von den Meistern des Ordens begleiteten sie nur einige Dutzend, darunter Meister Yvaan und der alte Meister Morgun. Abgesehen von Gorian war aus dem Haus der Schatten niemand dabei. Und auf einen Seher verzichteten sie auf das Anraten von Meisterin Aawaa hin ganz.
Schon nach dem Wandler-Massaker war Thondaril gegenüber allen Angehörigen seines Ordens ausgesprochen misstrauisch und deswegen bei der Auswahl sehr kritisch. Meister Shabrans Verrat hatte ihn in seiner Haltung noch bestärkt. Davon abgesehen war ihre Zahl ohnehin sehr zusammengeschmolzen.
Zwei Ordensschüler waren jedoch dabei: Serion aus Tejan und Farol aus Bara. Thondaril musste ihnen beachtliche Fortschritte attestieren, die sie in der verhältnismäßig kurzen Zeit gemacht hatten. Er hielt ihr magisches Talent zwar nicht für überragend groß, dafür
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