Gorian 3
sonderlich beliebten Caladran zeigte, dass er ihnen überlegen war. Aber mehr und mehr gelangte er zu der Ansicht, dass Beliak etwas sehr ernstlich beschäftigte. Sein Gesicht wirkte nicht mehr belustigt, sondern war von tiefem Ernst geprägt.
»Vielleicht ist das etwas, was nur die Angehörigen der älteren Völker wahrzunehmen vermögen«, meinte er schließlich.
»Und da zählst du uns Caladran nicht dazu?«, fragte Lendaris pikiert. »Welch ein älteres Volk als uns könnte es
geben – natürlich nur die gerechnet, die noch existieren und nicht nur mehr flüchtige Erinnerungen im Reich des Geistes sind wie die Sechsfingrigen.«
»Ich meinte ausschließlich die Völker von Ost-Erdenrund – und soweit man weiß, waren die Caladran nicht gerade die Ersten, die hier gesiedelt haben.«
»Was genau siehst du?«, fragte Gorian, diesmal auf Heiligreichisch, denn er hoffte, dass der Caladran es nicht gut genug verstand, um der Unterhaltung weiter folgen zu können.
»Ich sehe, dass dort irgendetwas vor sich geht und sich magische Kräfte entfalten, und zwar von einer Art, die …« Beliak brach ab. Er umklammerte mit den übergroßen Händen die Reling und starrte zu den Singenden Felsen. »Es ist eine sehr alte Magie, wie sie von den jüngeren Völkern bisher nicht benutzt wurde.«
Konnte es sein, so fragte sich Gorian, dass Beliaks Wahrnehmungen mit den Aktivitäten der Ordensmeister zu tun hatten, von denen Meister Thondaril ihm berichtet hatte?
Er würde seinen Mentor darauf ansprechen müssen.
Beliak drehte abrupt den Kopf und bedachte ihn mit einem durchdringenden Blick. »Du weißt mehr darüber, als du zugeben willst«, stellte er fest.
»Beliak …«
»Ich verstehe, dass du mich nicht in alles einweihen kannst, Gorian. Wie ich dir schon mehrfach geraten habe, würde ich mir auch nicht trauen, wäre ich an deiner Stelle. Jedenfalls nicht zu sehr.« Er hob die großen Adh-Hände. »Also behalte deine Geheimnisse ruhig für dich, das nehme ich dir in keiner Weise übel. Allerdings wirst du nicht von mir erwarten können, dass ich meine natürlichen Sinne verschließe, die mir als Adh nun mal eigen sind. Seltsam«, murmelte er, »seit
ich tot bin, sind sie eher schärfer und empfindlicher geworden als schwächer. Aber das ist ein anderes Thema.«
Gorian deutete mit der Hand in Richtung des Nord-Eldosischen Gebirges. »Was wissen die Adhe über diesen Ort?«
In Beliaks Augen blitzte es. »Also hatte ich doch recht mit meiner Vermutung«, fühlte er sich bestätigt. »Aber ich will dich keinesfalls dazu verleiten, zum Verräter von Geheimnissen zu werden, die dir Meister Thondaril anvertraute.« Er zuckte mit den Schultern. »Ich hingegen teile mit dir gern alles, was ich weiß. Aber ich muss dir leider sagen, dass das nicht sonderlich viel ist und der Begriff Wissen vielleicht auch nicht wirklich zutreffend ist. Eher würde ich von Legenden sprechen. Geschichten, die vielleicht einen wahren Kern haben, sich aber vor so langer Zeit zutrugen, dass sich wohl kaum noch sagen lässt, was Wahrheit und was Erfindung ist.«
»Erzähl mir trotzdem davon. Haben die Basilisken etwas damit zu tun? Oder gehören die deiner Lesart nach auch nicht zu den alten Völkern von Ost-Erdenrund?«
Beliak stutzte. »Die Basilisken? Wie kommst du darauf? Du scheinst ja keineswegs so ahnungslos zu sein, wie du tust. Siehst du wirklich nicht das Licht jener Kraft, die sich dort entfaltet?« Beliak wandte nun sogar das Gesicht ab. »Ah, richtig geblendet wird man davon. Furchtbar. Außerdem …« Er sah auf seine Hände. Sie begannen zu tropfen. Beliak roch daran und verzog das Gesicht. »Der Zauber, der mich aufrecht hält, wird schwächer. Das hängt, glaube ich, mit dem Licht dort drüben zusammen. Gut, dass wir uns bereits wieder von dem Gebirge entfernen.«
Gorian berührte Beliak an der Schulter. Blitze zuckten aus seinen Fingerspitzen und fuhren in den untoten Körper des
Adh, dazu murmelte der junge Ordensmeister eine Stärkungsformel. Allerdings keine, die man ihm während seiner Ausbildung auf der Ordensburg beigebracht hatte, sondern eine, die ihm aus dem Reich des Geistes in Erinnerung geblieben war.
»Ah, verfluchte Caladran-Magie!«, stöhnte Beliak. Aber seine Hände tauten nicht mehr weiter auf, und nachdem er sie erneut zur knollenartigen, aber offenbar recht empfindlichen Adh-Nase geführt hatte, veränderte sich sein Gesichtsausdruck und wurde sichtlich entspannter. »Das hilft mir über diese Klippe
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