Gorian 3
Kälte, um weiter existieren zu können. Aus diesem Grund warten Morygors Heere stets, bis der Frost ihnen vorauseilt, und auch wenn ich mir zutraue, dass ich es eine gewisse Zeit lang in wärmeren Gefilden aushalte, so wird mein Körper doch irgendwann anfangen zu faulen und zu zerfallen.« Er deutete zu Eldamir und den Maladran hinüber. »Mit dem Gedanken, ein verblassender Schatten zu werden wie die da, könnte ich mich ja noch anfreunden. Die werden jedenfalls nicht von Fliegen und Maden gefressen, denn sie wurden durch einen anderen Zauber als ich zu Untoten.«
»Ich habe mir schon Gedanken darüber gemacht, wie man dir helfen könnte«, eröffnete ihm Gorian.
Schon bei ihren ersten Vorstößen in den Süden waren die untoten Orxanier nicht weiter vorgedrungen, als der kalte Hauch, den die Frostgötter verbreiteten, gereicht hatte. Über diese Grenze hinaus konnten sie nicht lange existieren, und Gorian hatte schon befürchtet, dass es bei Beliak ähnlich sein würde. Leider war er weder im Reich des Geistes der Caladran auf eine Lösung dieses Problems gestoßen, noch fand er sie in dem Wissen, das er sich im Haus der Magiemeister des Ordens der Alten Kraft hatte aneignen können.
»Ich werde mit Meister Thondaril darüber sprechen und mit Sheera«, versprach er.
»Es könnte sein, dass auch ihr Wissen nicht ausreicht«, befürchtete Beliak.
»Ich kann den Rat anderer Meister über Handlichtlesen einholen«, erklärte Gorian.
Beliak nickte lahm. »Es ist aber auch möglich, dass es einfach
keinen Weg gibt, meine Existenz zu erhalten«, sagte er in einem sehr ruhigen und bestimmten Tonfall. »Und dann, Gorian, solltest du dich nicht wundern, wenn ich plötzlich verschwunden bin.«
»Du gibst schon auf?«
»Ich bin nur realistisch«, widersprach der untote Adh. »Ich hasse Morygor und bin sein Feind – und doch könnte ich dazu gezwungen sein, in das Reich des ewigen Frostes zurückzukehren, will ich nicht zum Fliegenfraß werden.« Er ballte die großen Hände zu Fäusten und schlug sich gegen die Brust. »Einstweilen hält das alte, verrottende Fleisch ja noch, und wenn du oder Meister Thondaril mir ab und zu mit einem ordentlichen Kältezauber etwas helft, werde ich gewiss auch noch eine ganze Weile an deiner Seite kämpfen und …«
In diesem Moment zuckte er zusammen. Er starrte in Richtung des Nord-Eldosischen Gebirges, das sich im Nordwesten der oquitonischen Tiefebene schroff emporhob. In seiner häufig nebelumwaberten, aber momentan gut sichtbaren Gipfelregion befand sich das Hochplateau mit den unzähligen, unterschiedlich hohen Singenden Felsen, die säulenartig in den Himmel ragten. Der Wind hatte sie im Laufe der Zeitalter aus dem Außenwall eines großen Kraters gefräst, sodass sie kreisförmig angeordnet waren.
Früher hatten die Menschen dort den Gott der Sieben Winde verehrt, aber dessen Kult war verboten, seit der Glaube an den Verborgenen Gott zur bestimmenden Religion von Ost-Erdenrund geworden war.
»Das Gebirge… Es leuchtet!«, murmelte Beliak, und er schien tief ergriffen von dem Anblick.
Gorian war irritiert, denn er sah – nichts.
»Wovon sprichst du?«, fragte er.
»Du kannst es nicht sehen?«, wunderte sich Beliak. »Das erstaunt mich – bei all deiner unzweifelhaften magischen Begabung. Schließlich trägst du doch diesen Ring an deinem Finger, der dir ja wohl nicht einfach nur so von einem wohlmeinenden Meister geschenkt wurde.« Beliak kicherte, aber sogleich wurde sein Gesichtsausdruck wieder sehr ernst. Er wandte sich an Lendaris, den Steuermann der Hoffnung des Himmels . »He, siehst du etwas dort, mit deinen angeblich so guten Caladran-Augen? Oder machen dich die metamagischen Raumzeitwinde blind?« Er benutzte dabei eine barbarisch vereinfachte Form des Caladranischen, das er offenbar irgendwo aufgeschnappt hatte. Die Sprache, in der Morygor Befehle erteilte, erkannte Gorian sogleich.
Lendaris runzelte die Stirn, strich sich mit einer beiläufigen Geste über die Zöpfe seines Bartes und verengte die Augen. »Ich weiß nicht, welche Trugbilder dich narren, Adh«, entgegnete er. »Dort unten sind ein paar Berge, durch die der Wind schon jetzt unerträglich laut heult, obgleich im Moment fast Windstille herrscht und wir weit entfernt sind. Aber ich nehme an, davon wiederum hörst du nichts.«
Zuerst hatte Gorian noch gemeint, Beliak wolle sich mit irgendeinem Schabernack die Zeit vertreiben – am liebsten natürlich, indem er den bei den Adhe nicht
Weitere Kostenlose Bücher