Gorian 3
hinweg«, bekannte er. »Ich hoffe, es wirkt auch eine Weile.«
»Du wolltest mir von diesem Gebirge erzählen«, erinnerte Gorian.
»In der Zeit, lange bevor es in Ost-Erdenrund Menschen oder Caladran gab, befand sich auf dem Gipfelplateau dieses Gebirges die Stadt der Al-Pan, eines Volkes, dessen Angehörige großen Schmetterlingen ähnelten und die angeblich nicht viel Luft zum Atmen brauchten, weswegen sie das Leben in großer Höhe bevorzugten. Die Al-Pan fühlten sich von nichts so sehr bedroht wie von Magie. Unglücklicherweise waren aber die meisten Völker, die in jener Zeit in der Nähe siedelten, magisch sehr begabt. Das waren vor allem die Adhe und die Basilisken, doch selbst die eher schwache Magie der Sonnenflüchter ängstigte die Al-Pan. Denn um der Zauberkunst ihrer Nachbarn mit purer physischer Kraft zu begegnen, waren sie zu zerbrechlich, ihre Körper zu schwach und ihre Waffen zu harmlos. Und so schützten sie sich durch eine noch mächtigere Gegen-Magie. Ausgehend von der Stadt des Schmetterlingsvolkes schufen sie ein sich immer weiter ausdehnendes Gebiet, in dem die Magie der anderen Völker beständig schwächer wurde. Schließlich wurde der
Einfluss dieser Gegenkraft so groß, dass kein Adh und kein Basilisk das Gebirge, in dem die Stadt der Al-Pan lag, überhaupt noch betreten konnte, ohne furchtbarste Schmerzen zu erleiden oder sogar zugrunde zu gehen.«
»Aber von der Stadt der Al-Pan ist nichts geblieben, wie jeder sehen kann«, stellte Gorian fest.
Beliak nickte. »Ein Gestirn fiel vom Himmel. Vielleicht nicht so groß wie der Schattenbringer, der die Sonne verdeckt, aber groß genug, um die Stadt zu vernichten. Ein großer Krater bildete sich, aus dessen Rand der Wind die Singenden Felsen schälte. Es heißt, dass die Al-Pan die Bahn des fallenden Sterns lange im Voraus kannten – lange genug, dass sie hätten fliehen können. Aber ihre Furcht vor der Magie der anderen Völker war stärker, und so harrten sie aus, bis es zu spät war. Die Kräfte jedoch, mit denen sie einst die Magie bekämpften, sind noch im Gestein des Gebirges wirksam, so sagt man. Und deswegen haben von jeher alle Adhe auf ihren Wanderungen dieses Gebiet gemieden.«
12
Schatten über Oquitonien
Als die Hoffnung des Himmels und ihre Begleitschiffe weiter nach Süden vordrangen, sahen Gorian und seine Begleiter entlang des Flusses Bar immer mehr verlassene Ortschaften und Ströme von Flüchtlingen. Zudem trieben ungezählte Flöße, Boote und kleinere Schiffe flussabwärts, die meisten davon völlig überladen, denn die Menschen versuchten im Angesicht der nahenden Bedrohung, so viel ihrer Habe zu retten wie möglich.
Die am Ufer des Bar gelegene Stadt Oque war auf ein Vielfaches ihrer ursprünglichen Größe angeschwollen und wucherte ins Umland hinein. Unzählige Flüchtlinge kampierten dort in notdürftig errichteten Zelten, wohl in der Hoffnung, irgendwie weiter in den Süden zu gelangen. Außerdem gab es nahe der Stadt ein riesiges Heerlager, wo sich Abertausende von Kriegern darauf vorbereiteten, dem Feind entgegenzuziehen. Heiligreichische Ritter und Fußsoldaten waren ebenso darunter wie Oger-Söldner, die aufgrund ihrer leuchtend grünen Haut schon aus größerer Entfernung auffielen. Einige wenige Oraxanier waren ebenfalls auszumachen – lebendige Orxanier allerdings, die wohl frühzeitig aus ihrer eroberten Heimat geflohen waren. Auch waren Dutzende von Greifen samt ihren Transportgondeln zu sehen, die wohl einen ständigen Pendelverkehr zur Küste organisierten,
um kriegswichtige Güter und Verpflegung schnellstmöglich nach Oque zu schaffen.
Gorian machte beim Blick vom Achterdeck die Flagge des Königs von Melagosien aus sowie eine Reihe von caladranischen Himmelsschiffen, die im Flusshafen von Oque angelegt hatten.
Man hörte den Schlag unzähliger Hämmer und sah in den umliegenden Wäldern reihenweise Bäume fallen. Es wurden offenbar Katapulte gebaut.
Ob dieses Heer aber eine Aussicht hatte, den Feind aufzuhalten, hing davon ab, was bei den Singenden Felsen geschah. Ohne diesen riesigen Bannstein würde das Eis bald die Mündung des Bar erstarren lassen. Gorian fragte sich ohnehin, weshalb Morygor seine Horden nicht schneller nach Süden vorstoßen ließ. Offenbar musste auch er erst seine Kräfte und Truppen sammeln. Und je weiter er nach Süden vordrang, desto mehr war er auch auf die Frostgötter angewiesen, um Eis und Schnee südwärts zu treiben.
Oder auf die Hilfe des
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