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Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz-Smith
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für die Ermittlungsbeamten freigehalten. Arkadi nahm Weißfisch, Gurke in Sauerrahm, Kartoffelsalat, Brot und Bier. Der alte Below gesellte sich zu ihnen und begann, von seinen Kriegserlebnissen mit Arkadis Vater zu erzählen. »Die tollste Geschichte hat sich bald nach Kriegsausbruch ereignet, bevor wir unsere Kräfte umgruppiert haben.« Below blinzelte mit wässrigen Augen. »Ich war damals der Fahrer des Generals.«
    Arkadi erinnerte sich an diese Geschichte. Im ersten Monat nach Kriegsausbruch war die aus drei Spähpanzern bestehende Aufklärungseinheit seines Vaters hundert Kilometer hinter die deutschen Linien geraten und mit den Ohren und Schulterstücken eines SS-Gruppenführers zurückgekommen.
    Die Sache mit den Ohren hatte die Karriere des Generals lange beeinträchtigt.
    »Das mit den Ohren war ein bösartiges, völlig unhaltbares Gerücht«, versicherte Below der Tafelrunde.
    Arkadi wusste, wo sie noch heute hingen: an der Wand des Arbeitszimmers seines Vaters, des alten Generals.
    »Soll ich wirklich mit allen Strassenhändlerinnen im Gorki-Park reden?« Pascha rollte eine Scheibe Fleischkäse mit der Gabel auf. »Die wollen alle nur, dass wir die Zigeuner aus dem Park jagen.«
    »Du musst auch mit den Zigeunern reden«, wies der Chefinspektor ihn an. »Wir wissen jetzt, dass als Tatzeit die erste Februarwoche in Frage kommt.« Er machte eine Pause. »Und stell fest, wer für die Lautsprechermusik für Schlittschuhläufer zuständig ist.«
    Tschutschin kam herein. Der Chefinspektor für Sonderfälle, der gar nicht besonders, sondern höchst durchschnittlich aussah, teilte Arkadi mit, Ljudin habe angerufen und einen auf den Schlittschuhen entdeckten Namen durchgegeben.
    Die Studios der Mosfilm lagen auf den steil zur Moskwa abfallenden Leninbergen über dem grauen Häusermeer der Großstadt. Hohe Besucher und Würdenträger wurden für Besichtigungen im Zentralpavillon von den Spitzen der Verwaltung, berühmten Regisseuren und charmanten Schauspielerinnen mit Blumen empfangen. Arkadi, der kein Würdenträger war und uneingeladen kam, musste sich mühsam durchfragen.
    Hinter einem der Ateliers vertrat ihm eine energische junge Frau den Weg und hielt ein Schild mit dem Befehl Ruhe! Hoch. Arkadi merkte, dass er in Außenaufnahmen hineingeraten war. Eine Kostümfilmszene in einem kunstvoll aufgebauten Obstgarten wurde endlos wiederholt.
    Arkadi, der so unauffällig wie möglich neben dem Generatorwagen stand, der den Strom für die Scheinwerfer lieferte, hatte reichlich Zeit, die Assistentin des Requisiteurs ausfindig zu machen. Sie war groß, hatte dunkle Augen, einen hellen Teint und trug ihr braunes Haar zu einem strengen Nackenknoten zusammengefasst. Ihre afghanische Lammfelljacke war abgewetzter als die der anderen Mädchen und an den Ärmeln zu kurz, so dass ihre Handgelenke sichtbar waren. Sie schien zu spüren, dass er sie beobachtete, und sah kurz zu ihm hinüber. Bevor sie sich wieder auf die Gartenszene konzentrierte, sah er den Fleck auf ihrer rechten Wange. Auf dem Foto in seiner Tasche war das Mal grau. Jetzt sah er, dass es eine blaue Verfärbung war - klein, aber um so auffallender, weil das Mädchen eine Schönheit war.
    »Mittag!« rief der Regisseur plötzlich und marschierte davon. Schauspieler, Assistentinnen und Beleuchter verschwanden ebenso schnell. Arkadi beobachtete, wie die Assistentin des Requisiteurs die Gartenmöbel abdeckte und verwelkte Blumen auszupfte. Zu ihrer wirklich sehr schäbigen Lammfell Jacke trug sie ein billiges orangerotes Halstuch und rote Kunstlederstiefel - eine eigenartige Kombination, aber mit solcher Selbstsicherheit getragen, dass sie geradezu elegant wirkte. Sie sah dem Chefinspektor lächelnd entgegen.
    »Irina Asanowa?« fragte Arkadi.
    »Und wer sind Sie?« Die junge Frau sprach mit dunkler Stimme und weichem sibirischen Akzent.
    »Soviel ich weiß, kenne ich Sie nicht.«
    »Aber Sie scheinen trotzdem zu wissen, dass ich hier bin, um mit Ihnen zu reden.«
    »Sie sind nicht der erste, der mich bei der Arbeit stört.« Das alles sagte sie lächelnd, als wolle sie ihn nicht kränken. »Jetzt verpasse ich das Mittagessen«, stellte sie seufzend fest, »aber das ist gut für die schlanke Linie. Haben Sie eine Zigarette für mich?«
    Ein paar lockige Haarsträhnen hatten sich aus ihrem strengen Nackenknoten gelöst. Arkadi wusste aus den Akten, dass Irina Asanowa 21 Jahre alt war. Als er ihr Feuer für die Zigarette gab, hielt sie schützend eine Hand über

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