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Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz-Smith
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eigenen Büro in der Nowokusnezkaja-Strasse verteilte der Chefinspektor Rollen. »Du bist Ungeheuer«, erklärte er Pascha. »Fet, Sie sind Rotkopf, der hagere kleine Mann. Und das hier … « Er stellte einen Stuhl zwischen die beiden. »Der ist Schönheit. Ich bin der Mörder.«
    »Sie haben gesagt, es könne mehr als einen Täter gegeben haben«, wandte Fet ein.
    »Ja, aber diesmal wollen wir den Gaul ausnahmsweise von vorn aufzäumen, anstatt zu versuchen, die Tatsachen einer Theorie anzupassen.«
    »Theorie ist sowieso meine schwache Seite«, gab Pascha grinsend zu.
    »Es ist Winter. Wir sind gemeinsam beim Schlittschuhlaufen gewesen. Wir sind Freunde oder zumindest Bekannte. Wir haben den Schlittschuhpfad verlassen und uns auf die Lichtung begeben, die vom Weg aus nicht einzusehen ist. Warum?«
    »Um etwas zu besprechen«, schlug Fet vor.
    »Um zu essen!« rief Pascha aus. »Das ist doch das Schönste am Schlittschuhlaufen - dass man eine Pause macht, um eine Pastete oder etwas Brot mit Käse zu essen. Und vor allem, um eine Flasche Wodka oder Kognak rumgehen zu lassen!«
    »Ich bin der Gastgeber«, fuhr Arkadi fort. »Ich habe diesen Treffpunkt vorgeschlagen. Ich habe belegte Brote mitgebracht. Wir ruhen uns aus, haben schon einen Schluck Wodka getrunken und ahnen nichts Böses.«
    »Dann erschießen Sie uns?« fragte Fet. »Aus der Jackentasche heraus?«
    »Dabei schießt man sich höchstens selbst in den Fuß«, wehrte Pascha ab. »Du denkst an die Lederspuren an der einen Kugel, Arkadi. Hör zu, du hast Essen mitgebracht. Deine Taschen sind dafür zu klein. Deshalb hast du das Zeug in einem Lederbeutel mitgenommen.«
    »Ich verteile die belegten Brote aus einem Lederbeutel.«
    »Und ich schöpfe keinen Verdacht, als du mir den Beutel vor die Brust hältst. Ich bin zuerst dran, weil ich der Größte und Stärkste bin.« Pascha nickte zufrieden. »Peng!«
    »Richtig! Deshalb sind an der Kugel Lederpartikel, aber an Ungeheuers Mantel keine Pulverspuren gefunden worden. Erst bei den nächsten Schüssen werden Pulverdämpfe durch das Loch in dem Lederbeutel mitgerissen.«
    »Aber der Knall«, wandte Fet ein. Die beiden anderen achteten jedoch nicht darauf.
    »Rotkopf und Schönheit sehen keine Waffe«, fuhr Pascha aufgeregt fort. »Sie wissen überhaupt nicht, was passiert.«
    »Vor allem nicht, weil wir angeblich Freunde sind. Ich ziele mit meiner Pistole in dem Beutel auf Rotkopf.« Arkadi zeigte auf Fet. »Peng!« Er zielte auf den Stuhl. »Unterdessen hätte Schönheit schreien können. Aber ich ahne, dass sie das nicht tun wird, dass sie nicht einmal versuchen wird zu fliehen.« Er erinnerte sich an die Frauenleiche zwischen den beiden Männern. »Ich erschieße sie. Dann verpasse ich euch beiden noch je einen Kopfschuss.«
    »Den Gnadenschuss. Ja, so muss es gewesen sein.« Pascha nickte beifällig.
    »Zu laut!« widersprach Fet. »Viel zu laut, finde ich. Außerdem ist ein Schuss in den Mund kein Gnadenschuss.«
    Arkadis Finger zielte wieder auf ihn. »Fet, Sie haben recht. Folglich schieße ich aus einem anderen Grund auf Sie - aus einem wichtigen Grund, der das Risiko zusätzlicher Schüsse rechtfertigt.«
    »Welcher wäre das?« erkundigte Pascha sich.
    »Ich wollte, ich könnte deine Frage schon beantworten. Jetzt ziehe ich mein Messer und mache damit eure Gesichter unkenntlich. Die Finger schneide ich wahrscheinlich mit einer Blechschere oder dergleichen ab. Dann kommt alles in meinen Lederbeutel.«
    »Du hast eine Pistole benützt«, ergänzte Pascha. »Die ist leiser als ein Revolver, und die ausgeworfenen Hülsen bleiben in der Tasche zurück. Deshalb haben wir im Schnee keine gefunden.«
    »Tageszeit?« drängte Arkadi.
    »Spät«, antwortete Pascha. »Dann ist die Gefahr geringer, dass andere Schlittschuhläufer auf die Lichtung kommen. Vielleicht schneit es sogar - das würde die Schüsse noch mehr dämpfen. Wann hat es diesen Winter mal nicht geschneit? Du verlässt den Park also bei Dunkelheit und Schneetreiben.«
    »Deshalb sieht niemand, wie ich den Beutel in den Fluss werfe.«
    »Richtig!« Pascha klatschte vor Begeisterung in die Hände.
    Fet setzte sich auf den Stuhl. »Die Moskwa war zugefroren«, stellte er nüchtern fest.
    »Scheiße!« sagte Pascha enttäuscht.
    »Kommt, wir gehen essen«, schlug Arkadi vor. Er hatte zum erstenmal seit zwei Tagen wieder Appetit.
    In dem Selbstbedienungsrestaurant in der U-Bahn-Station auf der gegenüberliegenden Strassenseite wurde stets ein Tisch

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