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Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz-Smith
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Figuren auf. »Schwarz zieht«, sagte er.
    »Darf ich?« fragte Arkadi.
    Der Chefinspektor wischte die Figuren vom Brett und legte in der Mitte drei schwarze Bauern nebeneinander. »Ungeheuer, Schönheit und Rotkopf.«
    »He, was soll das?« Lewin starrte ihn entgeistert an.
    »Sie haben etwas übersehen, glaube ich.«
    »Woher wollen Sie das wissen?«
    »Das werden Sie gleich hören. Drei Opfer, alle mit einem Schuss durchs Herz getötet.«
    »Zwei weisen außerdem einen Kopfschuss auf«, stellte Lewin fest. »Woher wollen Sie wissen, welcher Schuss zuerst gefallen ist?«
    »Der Mörder geht planmäßig vor«, fuhr Arkadi fort. »Er nimmt den Toten die Ausweise ab, leert ihre Taschen, zerstört ihre Gesichter und schneidet ihre Fingerspitzen ab, um die Identifizierung zu erschweren. Außerdem geht er das zusätzliche Risiko ein, den beiden Männern eine weitere Kugel in den Kopf zu schießen.«
    »Um sicherzugehen, dass sie tot sind.«
    »Er weiß, dass sie tot sind. Nein, bei einem der beiden Männer ist es darum gegangen, eine weitere Identifizierungsmöglichkeit zu vernichten.«
    »Vielleicht hat er sie erst durch den Kopf und dann ins Herz geschossen.«
    »Warum dann nicht auch das Mädchen? Nein, er schießt dem einen Toten in den Kopf, merkt dann, dass er sich dadurch selbst verrät, und verpasst auch dem zweiten Mann einen Kopfschuss.«
    Lewin stand auf. »Warum dann nicht auch dem Mädchen?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Und ich sage Ihnen als Fachmann, der Sie nicht sind, dass ein Geschoss dieses Kalibers die Männer nicht so stark entstellt hätte, dass eine Identifizierung unmöglich geworden wäre. Außerdem hatte der Täter ihre Gesichter bereits verstümmelt.«
    »Sagen Sie mir als Fachmann, was die Schüsse bewirkt haben«, forderte Arkadi ihn auf.
    »Angenommen, die beiden Männer waren bereits tot … « Lewin verschränkte die Arme. »Zerstört sind vor allem Zähne, mit denen wir uns bereits befasst haben.«
    Der Chefinspektor schwieg. Lewin riss eine Schublade auf und nahm zwei Schachteln mit der Aufschrift GP1 und GP2 heraus. Aus der Schachtel GP1 kippte er zwei nur wenig beschädigte Schneidezähne in seine hohle Hand.
    »Gute Zähne«, stellte Lewin fest. »Mit denen hat er Nüsse knacken können.«
    Die Zähne in der Schachtel GP2 waren weniger gut erhalten. Arkadi sah einen zersplitterten Schneidezahn und einen kleinen Zellophanbeutel mit Zahnsplittern.
    »Der größte Teil des einen Zahns ist im Schnee verlorengegangen. An den Resten haben wir Zahnschmelz, Dentin, Zement, Pulpa, Nikotinverfärbung und Bleispuren gefunden.«
    »Eine Füllung?« fragte Arkadi.
    >»Neun Gramm<.« Lewin benützte den Jargonausdruck für eine Kugel. »Zufrieden?«
    »Diese Zähne haben Rotkopf gehört?«
    »Gorki-Park zwo, verdammt noch mal!«
     
    Rotkopf lag im Erdgeschoss im Kühlfach. Sie rollten ihn in den Sezierraum. Arkadi paffte angestrengt eine Zigarette.
    »Gehen Sie mir aus dem Licht!« Lewin schob ihn beiseite. »Ich dachte, diese Arbeit sei Ihnen zuwider?«
    Im Oberkiefer des Toten fehlten zwei Schneidezähne aus der Reihe der gelblich verfärbten Vorderzähne. Lewin holte mit einer Pinzette einige winzige Knochensplitter aus dem Zahnfleisch und legte sie auf einen feuchten Objektträger. Mit dem Glasplättchen marschierte er dann zu einem Mikroskop auf einem Arbeitstisch.
    »Wissen Sie eigentlich, worauf Sie’s abgesehen haben, oder raten Sie nur?« fragte er Arkadi.
    »Ich rate nur - aber es raubt ja wohl niemand einen leeren Safe aus.«
    »Glauben Sie?« Der Pathologe sah durchs Mikroskop, während er die Knochensplitter mit einer Nadel bewegte. Arkadi zog sich einen Stuhl heran und setzte sich so, dass er der Leiche den Rücken zukehrte.
    Lewin entfernte einen Zahnsplitter nach dem anderen von dem Objektträger.
    »Ich habe Ihnen einen Bericht geschickt, den Sie wahrscheinlich noch nicht gesehen haben«, sagte Lewin. »Die Fingerspitzen sind mit einer großen Schere abgeschnitten worden - das zeigen die deutlichen Einkerbungen an der Ober- und Unterseite. Die Gesichter wurden nicht mit einem Skalpell abgezogen; ich tippe eher auf ein - allerdings außergewöhnlich scharfes - Jagdmesser.« Auf dem Objektträger lagen kaum noch Zahnsplitter. »Hier, sehen Sie sich das an.«
    Bei zweihundertfacher Vergrößerung sah Arkadi eine rosa Masse zwischen elfenbeinweißen Knochensplittern.
    »Was ist das?«
    »Guttapercha. Der Zahn ist so zersplittert, weil er abgestorben und spröde gewesen ist. Das

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