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Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz-Smith
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die Flamme und berührte dabei mit langen, kühlen Fingern seine Hand.
    Diese flüchtige Intimität war ein so durchsichtiges Manöver, dass Arkadi von ihr enttäuscht war, bis er an ihrem Blick erkannte, dass sie sich über ihn amüsierte. Ihre ausdrucksvollen Augen hätten selbst das reizloseste Mädchen interessant gemacht.
    »Männer der Sonderkommission rauchen im allgemeinen bessere Zigaretten, muss ich sagen.« Sie inhalierte gierig. »Legen Sie’s darauf an, mich hier rausschmeißen zu lassen? Dann suche ich mir einfach eine andere Stelle.«
    »Ich komme weder von der Sonderkommission noch vom KGB. Hier.« Arkadi zeigte ihr seinen Dienstausweis.
    »Anders, aber nicht sehr anders.« Sie gab ihm den Ausweis zurück. »Was will Chefinspektor Renko von mir?«
    »Wir haben Ihre Schlittschuhe gefunden.«
    Sie brauchte einen Augenblick, um zu verstehen, was er gesagt hatte. »Meine Schlittschuhe!« Sie lachte. »Sie haben sie tatsächlich gefunden? Ich hab sie vor Monaten verloren.«
    »Wir haben sie an den Füßen einer Toten gefunden.«
    »Gut! Geschieht ihr recht! Es gibt also doch eine ausgleichende Gerechtigkeit. Hoffentlich ist sie erfroren. Sehen Sie mich bitte nicht so schockiert an. Wissen Sie, wie lange ich für diese Schlittschuhe gespart habe? Sehen Sie sich meine Stiefel an. Los, sehen Sie sie sich an.«
    Ihre roten Kunstlederstiefel platzten an den Reißverschlüssen auf. Irina Asanowa stützte sich plötzlich auf seine Schultern und zog einen Stiefel aus. Sie hatte lange, schlanke Beine.
    »Ungefüger.« Sie rieb sich die Zehen. »Haben Sie vorhin den Regisseur gesehen? Er hat mir ein Paar pelzgefütterte italienische Stiefel versprochen, wenn ich mit ihm schlafe. Würden Sie mir dazu raten?«
    Das schien eine ernstgemeinte Frage zu sein. »Der Winter ist schon fast vorbei«, antwortete er.
    »Eben!« Sie schlüpfte wieder in den Stiefel.
    Außer von ihren Beinen war Arkadi von ihrer ungekünstelt offenen Art beeindruckt. Der jungen Frau schien es gleichgültig zu sein, was er von ihr dachte.
    »Tot«, wiederholte sie. »Jetzt geht’s mir schon besser. Ich habe den Diebstahl damals auf der Eisbahn und bei der Miliz gemeldet, wie Sie wissen.«
    »Sie haben den Verlust am vierten Februar gemeldet, obwohl Sie die Schlittschuhe angeblich seit dem einunddreißigsten Januar nicht mehr hatten. Haben Sie sie erst nach vier Tagen vermisst?«
    »Geht’s Ihnen nicht auch so, dass Sie manchmal erst merken, dass Sie etwas verloren haben, wenn Sie’s benutzen wollen? Ich habe eine Zeitlang gebraucht, um zu rekonstruieren, wo ich sie liegengelassen hatte dann bin ich sofort zur Eisbahn gegangen. Zu spät!«
    »Ist Ihnen inzwischen noch etwas eingefallen, das Sie bei Ihrer Verlustanzeige bei der Miliz vielleicht nicht erwähnt haben? Haben Sie einen bestimmten Verdacht, wer Ihre Schlittschuhe mitgenommen haben könnte?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Das kann praktisch jeder gewesen sein.«
    »Da haben Sie recht«, bestätigte Arkadi.
    »Ein Chefinspektor bemüht sich bestimmt nicht hierher, nur um mir mitzuteilen, dass meine Schlittschuhe gefunden sind«, stellte sie fest. »Ich habe der Miliz schon alles gesagt, was ich weiß.
    Was wollen Sie also?«
    »Die junge Frau, die Ihre Schlittschuhe getragen hat, ist ermordet worden. Sie und ihre beiden Begleiter.«
    »Was hat das mit mir zu tun?«
    »Ich dachte, Sie könnten uns vielleicht helfen.«
    »Den Toten ist nicht mehr zu helfen. Und Ihnen helfe ich bestimmt nicht. Ich habe mal Jura studiert. Wenn Sie mich verhaften wollen, müssen Sie einen Milizionär mitbringen. Haben Sie die Absicht, mich festzunehmen?«
    »Nein, ich …«
    »Dann gehen Sie bitte, wenn Sie nicht wollen, dass ich meinen Job verliere. Die Leute hier haben Angst vor Ihnen. Versprechen Sie mir, nicht wiederzukommen?«
    Arkadi staunte über sich selbst, dass er sich ihr lächerliches Gerede anhörte.
    Andererseits hatte er Verständnis für die Nöte relegierter Studenten, die irgendeine Arbeit annehmen mussten, um nicht ihre Aufenthaltsgenehmigung für Moskau zu verlieren und nach Hause geschickt zu werden. Für Irina Asanowa hätte das die Abschiebung nach Sibirien bedeutet.
    »Gut, ich komme nicht wieder«, antwortete er.
    »Danke.« Ihr ernster Blick wurde bittend. »Geben Sie mir noch eine Zigarette, bevor Sie gehen?«
    »Hier, nehmen Sie die ganze Packung.«
     
    Als Arkadi das Büro des Gerichtsmediziners betrat, saß Lewin vor einem Schachbrett. Er sah nicht von den schwarzen und weißen

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