Gotland: Kriminalroman (German Edition)
Stabparkett im riesigen Wohnzimmer des Gutshauses. Er deutete auf den Streifenwagen vorm Haus.
Auf dem Rücksitz saß Amanda Wahlby und starrte die vordere Nackenstütze an. Ein uniformierter Kollege lehnte sich durch die offene Tür zu ihr hinein und versuchte, mit ihr zu reden.
»Ja«, sagte Fredrik, »sie hat vom Handy aus angerufen. Als die Kollegen ankamen, stand sie hundert Meter vom Haus entfernt auf der Straße. Sie hatte Angst.«
»Verständlich«, gab Ove zurück.
Mit einem Meter achtundsiebzig Körpergröße und seinen fünfundachtzig Kilo war Ove ein stämmiger Mann. Als aktiver Hockeyspieler hatte er zwar vor fünfunddreißig Jahren schon genauso viel gewogen, doch damals hatten die Pfunde eine andere Festigkeit gehabt und waren anders verteilt gewesen.
Er betrachtete die beiden verunstalteten Leichen. Die Frau lag neben dem Sofa und der Mann in einer Ecke des Raums neben einem umgestürzten Sideboard und einer zerbrochenen Lampe aus silberfarbenem Glas.
Man gelangte in diesen Raum über ein Esszimmer, das Platz für zwanzig Personen zu bieten schien. Gleich rechts standen zwei graue Sessel an einem niedrigen, runden Tisch mit vier säulenartigen Beinen und Intarsien aus Rosenholz, die Hirsche darstellten. Weiter hinten waren zwei Sofas und zwei Sessel, alle mit dem gleichen hellen Stoff bezogen, um einen blank polierten Tisch angeordnet, auf dem als einzige Dekoration eine Schale aus weißem Porzellan stand.
»Viel Blut«, sagte Fredrik.
»Ja, der Kerl muss völlig ausgetrocknet sein.« Ove zeigte auf die Leiche in der Ecke.
Der Kopf des Mannes hing in einem merkwürdigen Winkel herunter, weil er zur Hälfte abgehackt war. Außerdem war das Gesicht vollständig zerstört. Augen hatte er nicht mehr. Nur noch Blut und tiefe Schnittwunden. Die Hände waren ebenfalls zur Hälfte abgehackt, und auch der restliche Körper war voller langer und tiefer Schnittwunden. Eingeweide hingen ihm aus dem aufgeschlitzten Bauch. Fredrik meinte ein Stück der Leber zu erahnen, aber es war nicht leicht, überhaupt etwas zu erkennen. Die Leiche lag in einer fast unbegreiflich großen Lache aus getrocknetem Blut, die Hose hatte sich dunkelrot gefärbt.
Die weibliche Leiche dagegen wies nur einen einzigen tiefen Messerstich auf. Direkt unterm Herz. Auch sie hatte viel Blut verloren. Das meiste hatte der Perserteppich aufgesaugt, der wie ein uraltes Erbstück aussah.
Es roch nach Erbrochenem und verdorbenem Fleisch. Der Nebel vor dem Fenster war dichter geworden, es war grau und düster draußen.
Ove trug eine grüne Windjacke und verwaschene Jeans. Fredrik hatte seine Jacke im Auto gelassen und nur ein dunkelblaues T-Shirt und eine Jeans an, die genauso abgetragen aussah wie die von Ove. Seine Dienstwaffe hing an der rechten Hüfte. Beide hatten hellblaue Schutzhüllen an den Füßen.
Wie immer, wenn Fredrik Toten gegenüberstand, war er erstaunt, wie grau und eingefallen sie aussahen. Leichen in Film und Fernsehen strotzten dagegen vor Lebendigkeit. Die echten Toten sahen eher wie Abfall aus. Es klang pietätlos, aber genau das ging ihm durch den Kopf: Müll. Kein Leben mehr. Es war bitter, aber nur deshalb war der Anblick überhaupt auszuhalten.
Fredrik blickte von den beiden Toten auf und schaute aus dem Fenster an der Rückseite des Hauses. Eine abgegraste Weide war von einem hohen Zaun umgeben, an ihm wuchsen Rhododendren, und ein Haufen vertrockneter Blumen lag neben einer Gartenschere mit zornig rotem Griff. Der dunkelgrüne Rasen war üppig und dicht.
»Viel Blut und viel Geld«, sagte Ove.
Man musste nicht Leser von Hochglanzmagazinen über Wohndesign sein, um zu erkennen, dass Familie Traneus keineswegs arm war. Das Haus war groß, und zumindest in die Räume, die Fredrik und Ove bislang gesehen hatten, war offensichtlich eine Menge Zeit, Mühe und Geld investiert worden. Die gesamte Einrichtung war farblich aufeinander abgestimmt und bis ins kleinste Detail durchdacht.
»Meinst du, es war Raubmord?«
»Tja«, sagte Ove zögernd, »aber wie passt das dazu?« Er zeigte auf den entstellten Mann.
Ove hatte recht. Die Frau wies nur einen einzigen Messerstich am Oberkörper auf, aber wie ließ sich das Gemetzel erklären, das an dem Mann verübt worden war?
»Überraschender Widerstand, ein labiler Einbrecher«, schlug Fredrik vor.
»Labil.« Ove trommelte sich mit der Handfläche auf die Brust. »Dann muss er tierisch labil sein.«
Raschelnd betrat Gustav Wallin den Raum. Die hellblauen
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