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Gotland: Kriminalroman (German Edition)

Gotland: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Gotland: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Håkan Östlundh
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Menschen. Alles schien seit Urzeiten wie in Stein gemeißelt. Selbst Spuren zu hinterlassen war fast unmöglich. Bei jüngeren Menschen war es nicht ganz so schwer, aber sie war jetzt fünfunddreißig und konnte sich nicht bis in alle Ewigkeit mit Siebenundzwanzigjährigen herumtreiben und Sexy Hexy spielen.
    Das Großstadtleben war nicht besser als das Leben in der Kleinstadt, aber in Stockholm war es eben anders als in Visby, und an genau diese Andersartigkeit war sie gewöhnt. Vielleicht war sie zu alt umzulernen.
    Plötzlich stieß Fredrik einen langen Wortschwall aus und riss sie aus ihren Gedanken.
    »Was?«, fragte sie, ohne nachzudenken.
    Seine Worte hatten keinen Zusammenhang und ergaben keinen Sinn. Wollte er überhaupt etwas Begreifliches sagen?
    Auf ihr »Was?« bekam sie keine Antwort.
    Noch vor Kurzem war es ganz selbstverständlich gewesen, sich an sein Bett zu setzen und mit ihm zu reden, aber nun waren sie nur noch zu zweit im Raum. Das machte sie unsicher. Die Situation wurde dadurch so intim.
    Nachdem sie Ninni vorgeschlagen hatte, einen Kaffee trinken zu gehen oder ein bisschen Luft zu schnappen, hatte sie einen Moment lang bereut, dass sie nun mit Fredrik allein war. Nach Fredriks, wie sollte man es nennen … Abenteuer, Seitensprung … mit Eva Karlén wäre es kein Wunder gewesen, wenn Ninni seinen weiblichen Kollegen nicht vertraut hätte. Aber offenbar konnte Ninni zwischen Äpfeln und Birnen unterscheiden, denn sie hatte nur genickt und dankbar gelächelt.
    Natürlich hatte Sara sie anlügen müssen, aber es war die gleiche Notlüge, die sie außer Göran Eide allen aufgetischt hatte. Ihr Gewissen wurde dadurch nicht belastet.

10
     
    Auf dem Rückweg saß Gustav am Steuer und Fredrik neben dem vor Kurzem noch so aufgebrachten Mann, den sie mittlerweile als Rune Traneus identifiziert hatten. Sie fuhren zu einer Enkelin von ihm, Sofia Traneus-Helin. Sie wohnte in Visby.
    Rune Traneus saß stumm neben Fredrik, ließ den Kopf hängen und starrte auf seine Hände, die er auf dem Schoß ineinandergelegt hatte. So wild, wie er sich noch vor Kurzem vor dem Haus gebärdet hatte, so zusammengesunken und verschlossen wirkte er jetzt.
    Fredrik überlegte mit wachsender Panik, was er Sofia Traneus sagen sollte. Ihr Vater sei möglicherweise tot, man wisse es aber nicht genau. Das war fast noch schlimmer als eine Todesnachricht.
    Er musste von Runes Reaktion ausgehen. Sie hatten einen Toten gefunden, den Sofias Großvater aus irgendeinem Grund für seinen Sohn, also ihren Vater, hielt. Nein, das war auch nicht gut. Dann war da noch das Auto. Sie hatten den Wagen überprüfen lassen, er gehörte tatsächlich Anders Traneus.
    »Was hat Sie veranlasst, dorthin zu fahren?«, versuchte es Fredrik.
    Rune Traneus antwortete nicht.
    »Ich meine, wieso waren Sie so sicher, Ihren Sohn dort vorzufinden?«
    Schweigen. Hatte Rune überhaupt zugehört? Er schien mit seinen Gedanken woanders zu sein.
    In Visby bogen sie zwischen dem Ica-Supermarkt und dem Sibylla-Kiosk nach Gråbo ab und hielten in der Allégatan vor einem der pastellfarbenen Reihenhäuser aus den Fünfzigerjahren an. Auf der anderen Straßenseite stand eine Reihe vollkommen identischer roter Backsteinhäuser.
    Fredrik hatte Einheimische sagen hören, wer einmal in Gråbo lande, komme nie wieder von dort weg, und außerdem sei der Ortsteil so weit von der Innenstadt entfernt. Tatsächlich kam man hier nie zufällig vorbei, aber man brauchte zu Fuß auch nicht viel länger in die Stadt als von Öster. Außerdem fand Fredrik es ganz nett hier.
    Aber vermutlich waren auch nicht die charmanten Gebäude aus den Fünfzigerjahren für den schlechten Ruf verantwortlich, sondern die Häuser aus den Siebzigern im Zentrum von Gråbo, überlegte Fredrik, als er bei Traneus-Helin klingelte.
    Die Frau, die ihm die Tür öffnete, war ungefähr fünfundzwanzig Jahre alt und hätte für eine typische Schwedin Modell stehen können oder zumindest für das, was man sich gemeinhin darunter vorstellte. Groß, schlank, aber athletisch, strohblond und blauäugig. Energische Lippen wachten über schneeweiße, gerade Zähne. Sie hatte ein wohl zwei Monate altes Baby auf dem Arm, das nur eine Windel trug. Ein etwa dreijähriges Mädchen linste neugierig aus einer Türöffnung im Innern der Wohnung.
    »Uropa!« Das Mädchen stürmte auf sie zu, verlangsamte aber seine Schritte und blieb auf halbem Wege stehen. Entweder hatten die fremden Männer es erschreckt, oder die Kleine
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