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Gotland: Kriminalroman (German Edition)

Gotland: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Gotland: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Östlundh
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wieder angefangen zu weinen. Sie hatte das Leben zurückbekommen und es erneut verschwendet. Wieso? Warum um alles in der Welt war sie nur so … ja, was denn? Dumm? Unfähig? Passiv? Handlungsunfähig? Feige? Blind? Dabei war es doch so intensiv. Seit zwei Jahren war sie nicht nur von Lust und Liebe erfüllt – diese Kombination kannte sie zur Genüge –, sondern auch von Freude, Zuversicht und sogar von … Hoffnung.
    Plötzlich stockte ihr der Atem. Ihr wurde eiskalt. Es war, als würde sie die Augen noch einmal aufmachen, obwohl sie bereits offen waren. Sie stand auf und rang nach Luft.
    War es wirklich so einfach? Hatte sie sich wieder in der Liebe verloren? Wie ein Tier im Käfig, dankbar und zufrieden, geradezu besessen von der täglichen Portion Futter, unfähig, weiter zu sehen oder zu denken als bis zu der Gittertür, die den Ausgang versperrte?
    Sie kämpfte sich zur Haustür. Ihre Luftröhre war wie zugeschnürt, und ihr Herz schien nicht mehr zu schlagen. Helle Punkte tanzten durch ihr Gesichtsfeld. Wurde sie ohnmächtig? Nein, dachte sie. Ich werde nicht in Ohnmacht fallen, verdammt noch mal. Das ist keine Lösung. Ein Satz aus einer alten Werbung kam ihr in den Sinn: »Ich glaub, ich kipp um.« Passte das nicht zu ihr? Nein, so wollte sie nicht mehr sein. Sie kickte gegen die Schuhe, die ordentlich aufgereiht im Flur standen. Arvids waren aus braunem Kalbsleder und seit Monaten nicht benutzt. Sie musste ihre Wut rauslassen. Die Schuhe flogen in alle Richtungen, und das Schuhregal geriet in Schieflage.
    Sie rang nach Luft. Nun konnte sie leichter atmen. Sie stolperte zur Tür und öffnete sie. Frische Luft strömte ihr entgegen. Vielleicht war es doch noch nicht zu spät. Wenn sie alles zusammenkratzte, was sie hatte, Bargeld, Schmuck und diese Kosta-Boda-Vase, die erst letztes Jahr auf siebzigtausend Kronen geschätzt worden war, einpackte. Konnte sie das Auto verkaufen, oder kam ihr dann die Polizei auf die Spur? Stand er im Fahrzeugschein oder sie? Sie wusste es nicht. Nicht einmal das.
    Aber jetzt durfte sie nicht grübeln und zurückblicken, sondern musste kühlen Kopf bewahren. Eine Tasche mit Kleidung, dem Schmuck und dieser dämlichen Vase packen. Das Auto aufs Festland mitnehmen und in Stockholm verkaufen und dann weiter nach … Es war kurz nach zwei. Wenn sie die Fähre um Viertel vor fünf nahm, konnte sie in sieben Stunden in Stockholm sein. Wann öffneten die Autohändler? Wahrscheinlich gegen zehn. Morgen um elf konnte all das bereits Wirklichkeit sein.
    Sie ging ins Freie, machte ein paar Schritte, füllte die Lungen mit Luft, atmete nun fast normal und betrat den frisch angelegten Weg.
    Mitten in der Bewegung erstarrte sie. Auf dem warmen Kalkstein lag eine zusammengerollte Schlange.

3
     
    Wenn man lange fort ist, verändern sich die Dinge. Die Zeit wartet nicht auf einen.
    Emrik Jansson dagegen wartete. Mit seinem schwarzen Damenfahrrad stand er im feinen Kies neben der geteerten Straße. Sein langer weißer Bart war rings um den Mund nikotingelb, genau wie Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand. Mit beiden Händen umklammerte er den Lenker. Zum Fahren benutzte er das Rad schon seit einem Jahr nicht mehr. Es diente ihm nur noch als Stütze. Besser als die Wägelchen, mit denen sich die alten Weiber aus dem Heim unten im Ort fortbewegten. Man musste sich in sein Schicksal fügen, das war klar, aber man durfte es sich so angenehm wie möglich machen. Mit siebenundachtzig Jahren hatte man das Recht dazu. Mit ihm ging es bergab. Er pfiff aus dem letzten Loch. Und zwar sein Schlaflied.
    Eine kleine Libelle mit giftig blauem Hinterteil surrte ruckartig die Straße entlang. Emrik Jansson blickte ihr hinterher, bis sie über dem Feld verschwand. An seinen Augen war nichts auszusetzen. Aber die Beine konnte man vergessen, und sein Gehör war auch nicht mehr das, was es mal war.
    Umständlich und mit zitternden Händen zog er ein Päckchen Tabak aus der Innentasche der Jacke. Er löste das Klebeband, rollte das Päckchen auseinander und atmete den Duft von feuchtem Drehtabak ein. In weiser Voraussicht hatte er drei fertig gerollte Zigaretten mitgenommen. Stehend mit dem Fahrrad eine Zigarette zu drehen ging eindeutig über seine Kräfte und sein Koordinationsvermögen. Er steckte sich eine zwischen die Lippen und schob das Tabakpäckchen wieder in die Jacke. Dann zog er ein gelbes Plastikfeuerzeug aus der Hosentasche und zündete die Zigarette an.
    Mit einer gewissen Sorge erwartete

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