Gott hat hohe Nebenkosten: Wer wirklich für die Kirchen zahlt
Kindergärten hat«, erinnert er sich. »Es fühlte sich an, als wolle man uns vorschicken. Aber wir haben damals auch eine Chance darin gesehen, selbst mit dem Pfarrer zu sprechen.«
Deswegen beschließen die Eltern im November 2011, einen Brief an den örtlichen Kirchenvorstand aufzusetzen. Auf fünf Seiten stellen sie der Kirche ein vorbildliches Zeugnis für ihre Mitarbeiterin Bernadette Knecht aus. »Es gibt Menschen, die nicht einfach austauschbar sind«, schreiben sie. »Frau Knecht engagiert sich persönlich auch außerhalb der Arbeitszeiten in vorbildlicher Weise und wird überall sehr geschätzt. Ihr ist es gelungen, die Elternschaft des Kindergartens und weitere Gemeindemitglieder zu motivieren, sich ebenfalls für das Allgemeinwohl einzusetzen und zahlreiche Projekte zu unterstützen, die sie persönlich angestoßen hat.« Die Eltern berichten den Kirchenvorständen von Benefizkonzerten, die lokale Musiker gemeinsam mit den Kindergartenkindern gegeben haben. Von einer CD zugunsten schwer kranker Kinder, die die Leiterin aufgenommen hat. Von den Musical-Darbietungen der Kindergartenkinder, von Konzerten in Kirchen und Seniorenheimen. »Frau Knecht begleitet seit Jahren fast jeden Kindergottesdienst musikalisch. Das ist der Hauptgrund für den großen Zuspruch dieser Gottesdienste unter den Eltern und Kindern.« Weiter heißt es: »Der Bürgerverein, der Männergesangsverein, das Seniorenheim, die Kirche und die Bewohner vor Ort: Sie alle werden einen lieb gewordenen, engagierten Menschen für die Gemeinde verlieren. Hieran kann niemand interessiert sein.«
Wer diesen Brief liest, bekommt den Eindruck: Etwas Besseres als Bernadette Knecht kann der Kirche in ihrem Kindergarten gar nicht passieren. »Genau so ist es«, sagt Peer Jung und legt seine Aktenmappe auf den Wohnzimmertisch. »Die Kirche als Träger der Einrichtung war für mich immer nur ein Stempel auf dem Briefbogen, sonst nichts.« Das, was für ihn wirklich Kirche ausmache, würden Frau Knecht und ihre Mitarbeiter repräsentieren.
»Wir stehen uneingeschränkt hinter Frau Knecht und sind bereit, für ihren Verbleib zu kämpfen«, beenden die Eltern ihr Schreiben und fügen noch einen konkreten Lösungsvorschlag an, der ihnen zu dieser Zeit überhaupt nicht abwegig erscheint. Wenn augenscheinlich derart viele Eltern gegen die Entscheidung der Kirche sind, so denken sie sich, dann müsste doch eigentlich nicht Frau Knecht, sondern die Kirche selbst den Kindergarten verlassen. Je mehr sie darüber reden, umso logischer erscheint ihnen dieser Weg und so schlagen die Mütter und Väter der Kirche vor, die Einrichtung an einen anderen Träger abzugeben. So könne man sich »statt eines potenziellen Aufruhrs, bereits angedrohten Kirchenaustritten, eines sicherlich erheblichen Imageschadens und einer Beeinträchtigung des Gemeindelebens Respekt und Anerkennung für eine elegante und menschliche Lösung der Problematik verdienen«.
Zuversichtlich, gute Argumente zusammengetragen zu haben, warten die Eltern auf eine Reaktion.
Das Schreiben findet seinen Weg zu Pfarrer Schiffers und bald darauf kommt es im Rauschendorfer Kindergarten zu einem Treffen zwischen Kirche und Eltern, das beide Seiten nicht vergessen werden. Am Tag vor Nikolaus, kurz nach acht Uhr abends, setzen sich die Eltern zwischen Bauklötze und Bilderbücher, dorthin, wo sonst ihre Kinder spielen, und warten auf den Pfarrer.
Sie haben im Nachhinein ein fünfseitiges Protokoll zu diesem Abend geschrieben, müssen aber nicht auf die Zettel gucken, um sich zu erinnern. »Das war ganz furchtbar«, sagt Alice Ernst. Sie blickt in die Runde der Eltern und trifft auf Zustimmung.
Der Pfarrer kam nicht allein in den Kindergarten, er wurde von einem Juristen begleitet. Thomas Schulte-Beckhausen ist Anwalt in Köln und einer der zehn Kirchenvorstände der Region um Rauschendorf. Diese zehn bilden zusammen die Laienverwaltung des Gemeindeverbandes, der auch über Personalfragen wie die von Bernadette Knecht entscheidet.
»Herr Schulte-Beckhausen hat ziemlich schnell gesagt, dass sie auf der letzten Sitzung schon über unsere Idee, den Kindergarten abzugeben, gesprochen und sich mehrheitlich dagegen entschieden hätten«, erinnert sich Canina Jung. »Ja, und dann ging’s richtig los«, fährt Alice Ernst fort. »Wir haben entgegnet: ›Wir alle hier fordern zu einhundert Prozent einen Wechsel des Trägers. Warum zählt das für Sie nicht? Warum dürfen die Eltern nicht mitentscheiden?‹« –
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