Gott hat hohe Nebenkosten: Wer wirklich für die Kirchen zahlt
durch Frau Knecht zustande, deshalb wolle man die Eltern unterstützen. »Wir bitten Sie und besonders Herrn Pfarrer Schiffers, den Weg für einen Trägerwechsel möglich zu machen«, formuliert der Geschäftsführer des Männergesangsvereins »Gemütlichkeit Rauschendorf«.
In den Wochen vor Weihnachten 2011 beschließen einige Eltern, persönliche Briefe an Udo Maria Schiffers zu schicken. So wie diesen: »Dass gerade diese Frau gezwungen ist, ihre berufliche Existenz und ihr Herzensprojekt aufzugeben, weil ihr Privatleben sich – zu ihrem eigenen größten Unglück – anders entwickelt hat, als jeder von uns es sich wünscht, lässt uns alle fassungslos und mit echten, tief greifenden Zweifeln zurück.« Weiter heißt es: »Es mag für die katholische Kirche auf den ersten Blick als ein Verlust erscheinen, den Kindergarten aufzugeben. Seien Sie sich aber sicher, dass das Gegenteil der Fall ist: Sie gewinnen den Respekt der ganzen Gemeinde.«
Schließlich kommt es zu einem weiteren Treffen zwischen vier Müttern und Vätern und den zehn Kirchenvorständen. »Ich bin naiv dahin gegangen«, sagt Alice Ernst heute. »Ich habe gedacht, man könne dort miteinander diskutieren.« Sie hätten alle um einen langen Tisch herum gesessen, der Pfarrer und Thomas Schulte-Beckhausen hinten, die anderen Kirchenvorstände rechts und links, die vier Eltern am Kopfende. Peer Jung habe zu Beginn noch einmal die Argumente der Eltern vorgebracht, erinnert sie sich weiter. Dann hätten die drei Mütter gesprochen. Sie selbst habe eine Geschichte erzählt aus der Zeit, als ihr Vater gestorben sei. »Ich habe damals nicht gewusst, wie ich meinen Kindern beibringen soll, dass ihr Großvater stirbt. Frau Knecht hat sich da unglaublich viel Zeit für uns genommen. Sie hat mir geholfen, mir Kontakte vermittelt, obwohl das gar nicht ihre Aufgabe ist. Ich habe das in dieser Runde erzählt und musste da wirklich schwer mit den Tränen kämpfen.« Daraufhin habe einer der Kirchenvorstände gesagt: »Jetzt drücken Sie auch noch auf die Tränendrüse.« Alice Ernst ist heute noch irritiert. »Da habe ich gemerkt, dass man mit denen nicht reden kann.« Sie seien als Eltern etwas unbedarft gewesen zu glauben, dort wirklich etwas ausrichten zu können. »Aber am Anfang haben wir immer gedacht, die müssen etwas nicht wissen, die können nur schlecht informiert sein, sonst würden sie nicht so entscheiden.« Nach diesem Abend, betont Alice Ernst, sei ihr klar gewesen, dass der Pfarrer und die Kirchenvorstände niemals von ihrer Position abrücken würden. Egal wie groß der Protest in der Gemeinde sei. Es sollte der letzte Gesprächsversuch bleiben.
Pfarrer Schiffers legt seine Jacke neben sich auf die Kirchenbank. »Nach den ersten Treffen kam immer die Rückmeldung von den Eltern, es müssten neue Gespräche her«, berichtet er. »Wir hatten dann irgendwann den Eindruck, dass sie so lange mit uns reden wollen, bis wir nachgeben.« Die Eltern hätten weiterhin geglaubt, dass die Kündigung von Bernadette Knecht noch zur Diskussion stehe. Das sei aber nie so gewesen. Er und die anderen Kirchenvertreter hätten die Eltern im Grunde nur wieder und wieder über ihre Entscheidung informieren können. Mehr nicht.
Einhundert Prozent der Eltern gegen einhundert Prozent des Kirchenvorstandes. »Das zeigt, wie groß die Kluft zwischen Basis und Autorität geworden ist«, sagt ein katholischer Theologe, der seinen Namen nicht nennen will. Am Telefon bittet er sogar darum, das Gespräch nicht mitzuschneiden. »Aufschreiben ja, aufzeichnen nein.« Schließlich sei die Kirche sein Arbeitgeber, er wolle nicht unnötig provozieren. Aber anonym könne er etwas zu dieser Sache beitragen.
»Die Kirche hat immer über Befehl und Gehorsam funktioniert«, erläutert der Professor der Theologie. Das Ziel sei zu jeder Zeit gewesen, das Moralische und das Rechtliche zur Übereinstimmung zu bringen. Aber die Kirche sei eben auch immer eine hierarchische Macht im Sinne ihrer Glaubenslehre gewesen.
Lange habe das zwischen »Schafen« und »Hirten« funktioniert: »Wenn du sündigst, etwa deine Ehe brichst, wird dir im Gottesdienst die Kommunion verweigert oder Ähnliches.« Bei einer selbstbewussten jungen Elterngeneration komme man aber mit Begriffen wie »Obrigkeit« heutzutage in Schwierigkeiten. Da widersprächen selbst die katholischen Eltern, wenn sie ein Urteil rational nicht nachvollziehen könnten. Das lasse sich mit Zahlen belegen: Je jünger die Menschen in
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