Gott hat hohe Nebenkosten: Wer wirklich für die Kirchen zahlt
»Da hat der Pfarrer zu uns gesagt, wenn wir mit alldem nicht einverstanden seien, sollten wir doch unsere Kinder abmelden!«, Peer Jungs Stimme überschlägt sich fast. »Es gab überhaupt keinen Dialog«, ergänzt Alice Ernst und zieht die Augenbrauen hoch. Die anderen nicken erbost. »Man wurde abgespeist mit Unverschämtheiten«, fügt sie an.
Der Fortgang des Abends liest sich im Protokoll der Eltern so:
Eltern: Wir sind empört, dass die Christen Menschlichkeit und Solidarität predigen und dann zu einer solchen Entscheidung fähig sind und gegen eine gesamte Gemeinde entscheiden können.
Kirche: Seitens des Kirchenvorstandes sind alle Argumente abgewogen worden.
Eltern: Warum stimmt die Kirche dann dem Trägerwechsel nicht zu?
Kirche: Weil die Kinder zum katholischen Glauben erzogen werden sollen.
Eltern: Aber wir schicken unsere Kinder vorrangig wegen Frau Knecht in den Kindergarten.
Kirche: Ja, aber das interessiert den Träger nicht. Frau Knecht kann nicht weiter im Kindergarten arbeiten, weil sie laut Kirchengesetz und Arbeitsvertrag nicht bleiben kann.
Eltern: Nach einer solchen Vorgeschichte hat in unserem Kindergarten niemand mehr Interesse am katholischen Glauben.
Kirche: Aha, so ist das also.
»Dieser Umgang mit uns …«, setzt Peer Jung an, er muss den Satz gar nicht beenden, die anderen Eltern nicken schon. »Ich muss sagen, dass ich Schwierigkeiten damit habe, wenn mich jemand nicht ernst nimmt. Nein, ich bin nicht irgendein Hanswurst, der sagt: ›Jawohl, du bist der Pfarrer‹, ich treffe in meinem Beruf jeden Tag weitreichende Entscheidungen. Und dann entgegnen die mir, ich solle die Obrigkeit nicht infrage stellen.« – »Was ich schlimm finde, ist der Satz, dass wir nur das kurzfristige Problem seien. Also das hat dem Fass den Boden ausgeschlagen«, empört sich Marie Theres Gehling, die auch an diesem Abend dabei war. Auch sie ist im Elternbeirat, auch sie hat drei kleine Kinder, zwei davon besuchen den Kindergarten. »Als ich mit Johanna, die damals drei Monate alt war, da saß und es hieß, wir seien nur das kurzfristige Problem. In zwei Jahren seien wir alle weg.« – »Das war ja das Kalkül«, beschließt Peer Jung das Thema: »Einfach aussitzen.«
Die Anwaltskanzlei in Köln, in der Kirchenvorstand Thomas Schulte-Beckhausen Partner ist, hat ein repräsentatives Sitzungszimmer: ein Glastisch, edle Stühle aus Chrom und Leder, zwei kindshohe beigebraune Standvasen mit unempfindlichen Topfpflanzen, moderne Kunst in Blau, wandfüllend. Auf dem Tisch Kreisel mit Erfrischungsgetränken, eine Kaffeekanne. Außerdem – unbezahlbar – ein direkter Blick durch die Glasfront auf den Rhein, auf die vorbeifahrenden Schiffe, die Messehallen.
»Mein Büro geht nach hinten raus«, sagt Thomas Schulte-Beckhausen und lächelt. Aber immerhin sei es wie im Höhlengleichnis, der Rhein spiegele sich auch für ihn sichtbar in den Fenstern eines angrenzenden Hotels. Der Anwalt hat an diesem Tag im Herbst 2012 nicht viel Zeit, aber er will seine Sicht der Dinge schildern.
Er erinnere sich noch gut daran, wie ihn Pfarrer Schiffers im Jahr zuvor im Urlaub angerufen habe, um ihm mitzuteilen, dass die Leiterin des Rauschendorfer Kindergartens bei seinem Kirchenvorstandskollegen Griese eingezogen sei. »Das hätte man wirklich nur noch dadurch toppen können, dass sie gleich zum Pfarrer zieht«, bemerkt Schulte-Beckhausen verschmitzt und wird gleich wieder ernst, um zu erklären, was für ihn das grundlegende Problem an der ganzen Sache ist. »Wenn das jetzt die Putzfrau gewesen wäre, hätte kein Hahn danach gekräht«, führt er aus. »Aber Frau Knecht hat eine Vorbildfunktion und kommt in ihrer Stellung als Kindergartenleitung nicht weit hinter dem Pfarrer. Sie soll schließlich den Kindern unseren Glauben vermitteln, wichtige Dinge weitergeben. Wie soll das gehen, wenn sie sich persönlich nicht an die Regeln hält?« Obendrein sei ihr neuer Lebenspartner auch noch selbst im Kirchenvorstand. Thomas Schulte-Beckhausen atmet tief ein.
Dann erzählt auch er von dem Abend im Kindergarten. Zwar sei die Wortwahl der Eltern etwas übertrieben und das Protokoll etwas scharf formuliert, aber im Grunde sei es richtig. Was nicht stimme, sei, dass man die Eltern nicht ernst nehme. »Wir haben im Kirchengemeindeverband sehr ausführlich über die Idee eines Trägerwechsels gesprochen«, betont er. »Wenn wir darüber nachdenken, dann auch vernünftig.« Aber schließlich sei man sich einig gewesen, dass
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