Gott oder Zufall?
und beanspruchen dafür stichhaltige Beweise. Man bezeichnet sie als
Internalisten.
Sie ignorieren einfach äußere Faktoren, und so ist das Thomas-Theorem für sie etwas, das man verunglimpfen und leugnen sollte.
Das Thomas-Theorem ist seit seiner ersten Veröffentlichung mehrfach überarbeitet worden. Man ist sich allgemein einig darüber, dass seine Argumentation ein Stück Wahrheit enthält. Nur wenige Wissenschaftler könnten ohne die Solidarität ihrer Kollegen, ohne eine solide finanzielle Situation, ohne Kultur, in der ihre Wissenschaft gewürdigt und anerkannt wird, und ohne stabile Wissenschaftsgemeinde, in der sie arbeiten, überleben. All diese Dinge befinden sich außerhalb der Theorien, die sie aufstellen, und bisweilen sogar außerhalb der Experimente, die sie durchführen. Ebenso ist es jedoch absurd zu meinen, dass Messungen physikalischer oder biologischer Werte nichts mit der Realität »da draußen« zu tun hätten. Es muss eine gewisse Art einer inneren Logik zur Wissenschaft bestehen.
Merton stellte seine Vorstellungen im Rahmen von Glauben und Wissenschaft dar, und das macht sie hierbei besonders relevant. Er versuchte in den frühen Tagen der modernen Wissenschaft zu zeigen, dass es einen starken Zusammenhang zwischen Wissenschaft und (ausgerechnet dem) Puritanismus gab. Er war nicht der Erste, der das vorschlug, doch er brachte eine neue Ebene einer differenzierten und historisch detaillierten Beweisführung in die Diskussion mit ein. Mertons These hat viele Kontroversen in Gang gebracht. Die wichtigsten Ergebnisse waren:
Ein Großteil der modernen Wissenschaft hat seine Wurzeln im England des 17. Jahrhunderts. Das waren letztendlich die Zeit und der Ort von Isaac Newtons majestätischem Werk über die Erdanziehung und die Naturgesetze. Wir können sogar noch genauer sein: Ein großer Teil der frühen modernen Wissenschaft war in London angesiedelt, in der noch in den Kinderschuhen steckenden Royal Society (gegründet 1660). Damit soll weder die Bedeutung von Oxford und Cambridge noch die von in dieser Zeit noch weiter entfernt gelegenen Zentren geleugnet werden, doch die Verortung auf Hauptstätten ist durchaus zulässig.
Ein großer Teil der Arbeit wurde von Männern geleistet, die an starken protestantischen Werten festhielten – und denen es nichts ausmachte, das zuzugeben. Die protestantische Reformation hatte eine Rückkehr zur Bibel mit sich gebracht, und vieles in diesem Buch wurde in Übereinstimmung mit dem neuen wissenschaftlichen Unternehmen gesehen.
Dank der Arbeit von Reijer Hooykaas und anderen ist heute deutlich geworden, dass der Puritanismus in den frühen Tagen der Wissenschaft extrem wichtig war. Es war ein höchst englisches Phänomen, doch so, wie es auch in den Benelux-Ländern angetroffen werden kann. Es ist schwer für manche Menschen, dieses Bild der Puritaner zu akzeptieren, die immer als Spielverderber und Asketen dargestellt werden, die an solchen Dingen wie einer weltlichen Wissenschaft ziemlich desinteressiert seien. Doch wie es nun schon oft gezeigt wurde, ist das eine Karikatur des Puritanismus, und viele Pioniere, wie der Chemiker Robert Boyle, glaubten an puritanische Werte, ohne dass sie deshalb als fanatisch oder engstirnig verleumdet wurden.
Dennoch blühte die Wissenschaft tatsächlich in Ländern, in denen der Puritanismus unbekannt war oder sogar verurteilt wurde. Römische Katholiken erzielten beispielsweise in Frankreich und Italien beachtliche wissenschaftliche Leistungen, so dass dort kein kausaler Zusammenhang mit dem Puritanismus besteht.
Jenseits des 17. Jahrhunderts gab es keine puritanische Kultur mehr, doch die Wissenschaft schritt weiter voran. Bis zum 20. Jahrhundert war diese eindeutige Beziehung zwischen Wissenschaft und biblischer Religion weitestgehend in Vergessenheit geraten.
Trotz dieses Umstandes besitzen auch heute noch viele Wissenschaftler einen starken christlichen Glauben, und die allgemein verbreitete Parodie eines »Konfliktmodells« kann sich auf keine festen Grundlagen stützen. Zudem verfügt die Wissenschaft noch immer über Konzepte wie die Ordnung des Universums, die Existenz der Naturgesetze und die Bedeutung von Redlichkeit und Integrität, die – obwohl sie gewiss auch an anderer Stelle vorhanden sind – mit einer biblischen Theologie der Natur vereinbar oder sogar auf sie angewiesen sind.
Wissenschaft ⬅
Das Studium der
Natur
(gr.
physis,
woraus wir unser Wort
Physik
abgeleitet haben). In
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