Gott oder Zufall?
wäre es tatsächlich nichts Außergewöhnliches mehr, sondern eine neue Art von Ordnung und Unterwerfung unter neue natürliche oder übernatürliche Gesetze.
Wenn es eine unumschränkte »einheitliche Erfahrung« gegen Wunder gibt, wenn sie mit anderen Worten niemals geschehen sind, dann natürlich müssen wir Hume beipflichten, dass sie eben nie geschehen sind. Dass die Erfahrung gegen Wunder einheitlich ist, können wir leider erst dann wissen, wenn wir wissen, dass alle Berichte über sie falsch sind. Und dass alle Berichte über sie falsch sind, können wir erst dann wissen, wenn wir wissen, dass die Wunder nicht geschehen sind. Tatsächlich drehen wir uns mit unserer Argumentation im Kreis.
C.S. Lewis, Wunder (1947)
Wissenschaftler suchen nach Ordnung und stellen Gesetze auf, doch sie sind auch auf der Suche nach Ausnahmen – im Bewusstsein, dass, wenn sie existierten, das Gesetz möglicherweise zu verbessern sei; für die Ausnahme muss es irgendeinen guten Grund geben. Die Wissenschaft erzählt uns etwas darüber, wie sich ein Ereignis abspielt, während die Religion einen Bericht über den Zweck anbietet und uns sagt, weshalb etwas, das geschah, sich so ereignet hat.
Als sich im 18. Jahrhundert Religion und Wissenschaft allmählich auseinanderentwickelten, trat die Philosophie in eine Phase ein, die religiösen Glaubensüberzeugungen kritisch gegenüberstand. Thomas Jefferson (1743–1826), Präsident der Vereinigten Staaten und maßgeblicher Verfasser der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, verehrte Jesus wegen seiner Güte und seiner ethischen Lehren, lehnte jedoch Wunder und Mysterien (wie die Dreifaltigkeit) als unvereinbar mit Natur und Vernunft ab. Er ließ sich eine eigene Ausgabe der Evangelien anfertigen, bei der sämtliche Wunder ausgelassen wurden, einschließlich der Auferstehung – das größte Wunder von allen. Das moderne Modell der analytischen Philosophie stammt von Hume, der zwischen Tatsachen und subjektiven Meinungen unterschied. Moral und Religion gehörten zur Welt der subjektiven Meinung. Die logischen Positivisten wie Bertrand Russell und A. J. Ayer betonten, dass Aussagen nur dann von Bedeutung seien, wenn sie durch Sinneserfahrungen verifiziert werden könnten. Dadurch wurde die Sprache der Religion, der Moral und der Ästhetik ausgeschlossen. Wissenschaftliche Objektivität und empirische Beweise wurden zum einzigen Standard, und religiöse Denker zogen sich weitestgehend aus der Diskussion zurück. Es schien, dass der Positivismus gewonnen hatte, doch er enthielt bereits den Samen seines eigenen Untergangs (siehe Kapitel
Das Wesen der Dinge/ Positivismus und logischer Positivismus
). Philosophische Reflexion in Wissenschaft, Religion und Metaphysik legt nun Wert auf die Feststellung, dass alles Denken auf einem breiten Spektrum wesentlicher Annahmen beruht und dass Religion rational und sinnvoll sein kann. Der Theologe T. F. Torrance vertritt sogar die Auffassung, dass die Theologie mit dem Studium Gottes über ihre eigene Wissenschaft verfügt und dass die Standards von Wahrheit und Aussagekraft dem Wesen des Gegenstandes angepasst werden müssen.
Gibt es Fragen, die die Wissenschaft nicht beantworten, ja noch nicht einmal stellen kann? Der Nobelpreisträger Peter Medawar hat die Grenzen der Wissenschaft gründlich untersucht (The Limits to Science, 1984). Er kommt zu dem Schluss, dass:
es nicht möglich [sei], aus den Axiomen und Postulaten Euklids einen Lehrsatz aufzustellen, mit dem sich ein Omelette braten oder ein Kuchen backen lässt … Um ihr [der Wissenschaft] ihr Unvermögen vorzuwerfen, auf alle Fragen eine Antwort zu haben, die wir gerne von ihr beantwortet hätten, wäre es nicht weniger vernünftig, einer Eisenbahn vorzuhalten, dass sie nicht fliegen könne … Die Tatsache einer Grenze der Wissenschaft wird deutlich an ihrer Unfähigkeit, kindliche grundlegende Fragen zu beantworten, die etwas mit den ersten und letzten Dingen zu tun haben – Fragen wie etwa »Wie hat alles angefangen?«, »Wozu sind wir auf der Welt?«, »Worin besteht der Sinn des Lebens?«. … Nicht an die Wissenschaft, sondern an die Metaphysik, an die schöngeistige Literatur oder an die Religion müssen wir uns wenden, wenn wir Antworten auf unsere Fragen haben wollen, die etwas mit den ersten und letzten Dingen zu tun haben. Der dogmatische Positivismus – der heute der Vergangenheit angehört – tat all diese Fragen als Nicht- oder Pseudofragen ab, als ob
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