Gott sacker Kriminalroman
Ferienpläne extra für diesen Kurs geändert hatte, schaute mich vorwurfsvoll an.
Ich wusste nicht, warum, und machte mir nicht die Mühe, ihre eigenartige
Aussage zu interpretieren. Herr Philipp Maiser, der einzige Mann des Kurses,
der sich für diesen Termin extra freinahm und unser Riedhagener
Kirchen-Organist ist, fuhr sich nervös durch sein ungepflegtes langes Haar und
meinte: »Nein, nicht die Leiche in der Kapelle, der Hund von deinem Nachbarn,
dem Müller.«
»Was ist mit dem?«
»Tierschänder wahrscheinlich, irgendwie totgeschlagen und
dann komisch hergerichtet, aber mehr weiß ich auch nicht.«
Nach wildesten Mutmaßungen über die Leiche im Ried – ich
musste wieder meine Geschichte des Auffindens zum Besten geben – und den toten
Hund bat ich um Ruhe und begann die Sitzung mit meiner fünfköpfigen Gruppe:
›Wer bin ich? Versuch einer Definition des Ichs zwischen Küche, Beruf und
Kindern.‹
Für diesen Tag hatte ich meiner Psycho-Gruppe in meinem
Rucksack Dinge mitgebracht. Dinge kamen immer sehr gut an.
Ich legte die Sachen – einen Stein, eine mittlerweile welke
Blume, ein unbenutztes Tempotaschentuch, eine weiße Feder und eine Zahnbürste –
in die Mitte unseres schwingenden Kreises. Wir saßen alle auf gemeindeeigenen
Pezi-Bällen in schreienden Farben und spielten das Spiel ›Ich fühle mich
wie …‹
Reihum suchten sich die vier Frauen und der Mann eines der
Dinge aus, um dann im meditativen Sprechgesang ihre Befindlichkeit für diesen
Morgen auszudrücken. Das lief immer sehr gut und ich konnte dann ein bisschen
meinen eigenen Gedanken nachgehen.
Hildegard, die Lehrerin mit der sportlichen Kurzhaarfrisur,
nahm als Erste die welke Blume, drückte sie an die Brust und hauchte mit einem
ätherischen Sprechgesang: »Ich habe Mitleid mit dem armen Hund.«
Die anderen nickten betroffen. Ich dachte mit Schaudern an
die Leiche in der Kapelle.
War es ein schlimmer Tod? Hatte sie oder er Kinder? Wird sie
oder er von jemandem vermisst? War der Mensch jung oder alt?
»Er hatte so ein herrlich braunes Fell, er ist immer an mir
hochgesprungen, wenn ich ins Krautland gegangen bin.«
Dermaßen sensibilisiert für die unergründlichen
Dinge des Lebens fuhr ich nach dem Kurs nach Hause. Beim Nachbarn Herrn Müller
stand ein Polizeiauto. In meinem Hof stand schon der apfelshampoogrüne Beetle
des blonden Kriminalfräuleins.
»Schön wohnen Sie hier.«
»Bei uns auf dem Land ist alles schön.«
»Darf ich mit hineinkommen?«
»Sie begleiten mich ja schon.«
Ich ging zur Tür, entledigte mich meines schwarzen Helmes und
das Fräulein folgte mir.
»Wohnen Sie schon lange hier?«
In der Küche setzte sich das Polizistenfräulein
unaufgefordert auf einen der vier Küchenstühle, legte ihre Ellbogen auf die
grau gesprenkelte Resopalplatte meines Küchentisches mit Schublade und schaute
mich auffordernd an.
Ich signalisierte ihr, indem ich Daumen und Zeigefinger
meiner erhobenen rechten Hand abwechselnd zeigte, anderthalb Jahre.
»Wieder sehr gesprächig. Kann ich Ihrem Gefuchtele entnehmen,
dass Sie nicht wissen, ob Sie seit ein oder zwei Jahren hier wohnen?«
»Nein, ich wohne seit anderthalb Jahren hier. Ich habe das
Haus von meinen Eltern geerbt … ähm, nach ihrem Unfall.«
»Wissen Sie schon, was bei Ihrem Nachbarn vorgefallen ist?«
Sie sagte nichts von einem Hund und dass da irgendetwas
Unheimliches passiert sein musste. Raffiniert, das Fräulein. Ich könnte ja der
Täter sein und sogenanntes Täterwissen in meiner Einfalt preisgeben.
»Nein.«
»Na, dann kommen Sie mal mit.«
Keine zwei Minuten im Haus und schon wieder ein Ortswechsel.
Sie ging voran und ich erkannte, dass ihre Figur seit gestern nicht schlechter
geworden war. Beim Nachbarn Müller, der als begeisterter Frührentner sonst eher
durch Ruhe auffiel, war einiges los im Garten. Er gestikulierte wild mit den
Händen und erzählte vieles: »… bester Freund … treu … deutscher
Schäfer… eins-a-Zucht, exzellenter Stammbaum … hatte mir nichts dabei
gedacht, als er heute Nacht angeschlagen hat, das macht er
öfters … vielleicht ein Igel, hatte ich gedacht … wenn ich
den erwische … Waldemar hätte keinem was zu Leide getan … so
grausam können nur Menschen sein …«, waren einige der Wortfetzen, die ich
vernahm.
Die beiden Polizisten machten sich Notizen.
Das Fräulein Gesetzeshüterin führte mich an den Rand des Müller’schen
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