Gott sacker Kriminalroman
Stuttgart bei ihrer kranken Schwester blieb.
Ich rufe einfach mal bei der Schwester an, sicher ist sicher.
Wahrscheinlich ist ja alles in Ordnung.
Der kleine, magere Mann schlurfte langsam zum Telefon und
wählte.
»Ja, hallo, hier Pfarrer Sütterle aus Riedhagen. Hallo,
verstehen Sie mich? Ja … der Pfarrer …Wann kommt denn das Fräulein
Margot wieder?«
Das Gespräch mit der dementen alten Dame aus Stuttgart war
sehr anstrengend. Schließlich legte er auf, um jedoch gleich die Nummer der
Polizei zu wählen.
Wenige Stunden später war es Gewissheit. Fräulein Margot, die
72-jährige Haushälterin des ehemaligen Pfarrers von Riedhagen, war zwar nach
Stuttgart zu ihrer Schwester aufgebrochen, aber nie dort angekommen.
Schon ein paar Stunden später wurde Fräulein Margot von
Angehörigen in ihrer vorletzten Ruhestätte, der Tübinger Pathologie, identifiziert.
8
Der spontane Gedenk-Gottesdienst, der auf
Initiative der katholischen Gemeinde für Margot Kramer am Dienstag um 18 Uhr
stattfand, war deutlich besser besucht als jeder Sonntagsgottesdienst in
leichenfreien Wochen. Auch einige Evangelische aus dem nahen Wilhelmsdorf saßen
zur Freude des jungen afrikanischen ›Ausleihpfarrers‹ Deodonatus Ngumbu in den
engen Holzbänken. Ebenfalls anwesend war die Polizei, Hauptkommissar Härmle saß
unauffällig in der letzten Reihe neben seiner blonden Komplizin, die heute das
kleine Schwarze trug. Ich zwinkerte ihr, als ihr neugieriger Blick mich
festhielt, aus meiner privilegierten und übersichtlichen Sitzposition kurz zu.
Sie schaute mich mit kurzem Erstaunen an, richtete ihren Blick auf meine
Stiefel aus Reptilienleder und tippte sich dann dreimal ganz kurz und
unauffällig mit ihrem rechten Zeigefinger an die Stirn.
Dumme Bullenkuh.
Ansonsten war heute alles in der Kirche, was Rang und Namen
in der Gemeinde hatte. Nur der alte Pfarrer fehlte. Vielleicht ging es ihm zu
nahe, dass sein jahrzehntelanger keifender Schatten nun dort war, wo er immer
hingepredigt hatte.
Da schau ich nach dem Gottesdienst kurz vorbei – der Alte mit
seinem schwachen Herz … von der vielen Sauferei … nur den besten
Messwein, Bodensee-Qualität … nicht dass der noch unterm Tisch liegt.
Dieser Gottesdienst war für mich Pflicht. Nicht
weil ich die alte Margot Kramer mochte, war ich heute hier, sie war die
einfältigste alte bigotte Kuh, die ich je kennengelernt hatte und die sich in
alles einmischte, was sie nichts anging. Auch die Neugierde war nicht
Motivation meiner gedenkgottesdienstlichen Anwesenheit. Es war der Dienst im
Namen des Herrn.
Der Gemeinde-Mesner Herr Kalner war zwar körperlich noch fit,
wurde aber in den letzten Jahren seines Amtes immer verschrobener und konnte
sich mit seinen 69 Jahren kaum mehr etwas merken. Und so war ich vor sechs
Monaten, als der Aushilfspfarrer mich bat, zum Job des Ersatzmesners gekommen,
und das auch noch für ein gutes Taschengeld. Die Katholische hat immer noch
genug Kohle.
Die eigenartige Stimmung im heißen Gotteshaus machte mich
schläfrig und so schwelgte ich bald in Erinnerungen an den gestrigen zweiten
Teil des Sonntagmorgens. Cäci war nach einem Schlückchen Sekt recht locker
geworden und hatte gemeint, ich könne ja ›Susi‹ löschen und einen Ordner ›Cäci‹
anlegen. Das waren keine schlechten Aussichten.
Einer der liturgischen Höhepunkte des
Trauergottesdienstes, das Vaterunser, wurde mal wieder zum Ereignis, das
Mikrofon am Ambo verrichtete seinen Dienst unzulänglich und gab bei jedem
gesprochenen Vokal ein nervenzersetzendes, hochfrequentes Pfeifen an die
miserablen Lautsprecher weiter.
»Vater unsa, der du bist in Himmäl …«
Ich mag ihn sehr, unseren freundlichen Pfarrer aus Kenia,
manchmal kommt er sogar zum MIKEBOSS -Stammtisch in den Bohnenstengel. Butzi hatte ihm
eine 1,7 PS starke NSU Quickly S ,
Baujahr 1957 in perlgrau und jadegrün als Missionsfahrzeug hergerichtet, mit
der er nun im Namen des Herrn unterwegs war.
Da stand er vorn im Altarraum und füllte ihn mit einer
unglaublichen Präsenz aus. Er war schon ein ganz besonderer Mensch, unser neuer
Pfarrer Deodonatus, der von Gott geschenkte, der jahrelang in den Slums von
Nairobi seine seelsorgerische Tätigkeit verrichtet hatte. Taufen ließ er sich
mit 15 Jahren, gegen den Willen seines mächtigen Vaters. Wie ein Musterathlet
stand er mit seinen breiten Schultern und seiner kräftigen Gestalt im
Altarraum. Seine
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