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Gott sacker Kriminalroman

Titel: Gott sacker Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Boenke
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Alle warteten auf Philipps erbärmliche Intonation des
angekündigten Bachchorals. Außer warmer Stille war jedoch nichts zu hören.
Meiner Aufgabe als Mesner bewusst, schritt ich zur Orgelempore die Treppen
hinauf.
    Philipps Platz war leer.

     
    Von der
Kirche wie fast von jedem Ort des Dorfes hatte ich nur knappe fünf Minuten nach
Hause. Bei Nachbar Müller erwartete mich die nächste Überraschung. Ich wähnte
den Frührentner bei einer unnötigen abendlichen Gartenarbeit zu
selbsttherapeutischem Zwecke. Die nachbarliche Situation stellte sich jedoch
gänzlich anders dar.
    Während des Gedenkgottesdienstes für seine Nachbarin Margot
war bei Herrn Müller ein Steinmetz mit seinem Kleinlaster angereist und hievte
gerade mit einem Kleinkran einen Großstein mit Inschrift in Müllers Garten.
    Ich warte seit vier Monaten auf eine Ersatzstufe an meiner Treppe
und der bekommt seinen albernen Köter-Gedenk-Brocken noch nach Feierabend!
    Der runde Aufkleber ›Schäferhundverein e. V.‹ am Kleinlaster
erklärte alles. Müller selbst stand breitbeinig und zufrieden in einem
kleidsamen blauen Arbeitsanzug auf seinem Rasen und betrachtete die Arbeit. In
seinen Armen hielt er einen winzigen Schäferhund, der ihm eifrig das Gesicht
leckte.
    Wo kann man so schnell Schäferhunde kaufen? Kauft man Hunde –
als beste Freunde des Menschen – überhaupt? In welchen Läden kauft man Hunde?
Ich habe in einer Zoohandlung noch nie Regale mit Hunden gesehen. Kinder kauft
man ja auch nicht in Läden, die sind ja mitunter auch Freunde des Menschen, die
bekommt man. Hat Müller einen Hund bekommen?

     
    »Wollen Sie ihn auch mal halten? Der beißt nicht.
Eins-a-Zucht«, lachte Müller sein sympathisches Frührentner-Lachen und hielt
mir das Tierchen hin. »Na, wie finden Sie den Stein?«
    »Was steht denn da drauf?«
    »Sie haben doch studiert und können lesen?«
    Müllers WalderBräu-naturtrüb-hell-Wampe hüpfte im Takt seines
Lachens.
    Der am Kran pendelnde Stein senkte sich in die vorgesehene
Mulde, zwei türkische Arbeiter, Vater und Sohn Özgül, die der einzigen
muslimischen Familie im Dorf angehörten und im einzigen dreistöckigen Hochhaus
wohnten, drückten ihn unter Stöhnen und Genörgel mit Stangen und Pickel in die
richtige Position:
     
    Waldemar 2001 bis 2008

     
    Des Menschen bester
Freund
    vom Menschen
hingemeuchelt
    doch jenseits kommt
die Stund
    da sehen wir uns
wieder

     
    Unter die bedeutungsschwangere Inschrift waren noch
zwei Löcher in den chinesischen Sandstein gebohrt.
    Als ob Müller meine Frage geahnt hätte, sagte er stolz: »Da
kommt noch ein Messingtäfelchen mit seinem Bild hin.«
    »Kommen denn Hunde überhaupt in den Himmel?«
    Entsetzt schaute mich mein Nachbar an.
    »Aber Herr Bönle, Sie haben doch Theologie studiert. Das
müssen Sie doch wissen, der Herr liebt alle Geschöpfe, und der Noah hatte alle
in seinem Boot.«
    Ich wollte den verunsicherten Müller mit seiner
Grundschultheologie nicht enttäuschen – außerdem war ich mir nicht mehr sicher,
ob in Noahs Arche auch ein deutscher Schäferhund war – und nickte: »Ja, stimmt
schon, der Noah. Was ist denn übrigens mit dem schönen Vesper hier?«, fragte
ich hungrig.
    Auf einem großen Brett lagen leckerer Hinterschinken vom
Schwein, eine Leberwurst, daneben eine harte Schwarzwurst. Zwei ungeöffnete
Flaschen Bier ruhten daneben.
    »Oh, die können Sie gern haben. Die Türken sind wohl was
Besseres gewöhnt.«
    Abfällig nickte er zu den schwitzenden Özgüls.
    Ich enthielt mich jeglichen Kommentars im Hinblick auf eine
ungestörte Nachbarschaft.

     
    »Hallo, ihr Süßen«, rief es nervend von der
Straße her.
    Oh nein, nicht schon wieder Hildegard.
    »Aaaah, das wird ja toll. Das ist bestimmt für Waldemar. Der
würde sich sicher freuen, wenn er das sehen könnte«, bemerkte sie mit schrägem
Haupt, um die Inschrift zu entziffern.
    Dumme Kuh, wenn er sich freuen würde, würde er noch leben,
wenn er noch leben würde, bekäme er kein Denkmal, wenn er kein Denkmal hätte,
über das er sich freuen könnte, würde er sich nicht freuen. Außerdem können
Hunde nicht lesen!
    Nachdem sie unaufgefordert in den Garten meines Nachbarn
stolziert war, bemerkte sie den winzigen Köter mit seinen großen Kuschelaugen
auf meinem Arm.
    »Gott, ist der süüüß! Darf ich mal? Als meine Lamas noch klein
waren, hatten sie auch so ein Stupsnäschen.«
    Sie fuhr unaufgefordert mit dem Daumen über die

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