Gott und die Staatlichen Eisenbahnen
die Uhr nicht zurück. Sie kommt aus dem Ausland und ist mit einer falschen Zolldeklaration in die Schweiz eingeführt worden. Ich werde mir nicht die Hände schmutzig machen.«
»Richtig!« pflichtete Demoruz bei. »Trotzdem, es ist eine wunderbare Uhr.« Er zog sie aus der Tasche und streichelte sie. »Obwohl sie hier eine Delle hat. Da, schau her.«
»Nein«, sagte Knüsperli. »Das gehört zum Design. Auf der anderen Seite hat sie auch eine Delle, siehst du?«
»Hm, das ist wahr. Aber diese Delle hier ist ein klein bißchen größer, oder wie? Je länger man hinschaut, desto größer wird diese Delle hier.«
Die beiden Männer schauten einander tief in die Seele. »Kannst du vierzig Franken ausgeben?« fragte Knüsperli. »Ob ich vierzig Franken ausgeben kann?« lachte Demoruz. »Mach mir nichts vor. Ich kenne dich und weiß, was du bist: ein Säufer. ein liederlicher Mensch. eine Schande für das ganze Tal.«
»Ich kann soviel ausgeben, wie ich will und wann ich will und wofür ich will«, kreischte Demoruz. »Die Frage ist, ob ich vierzig Franken ausgeben will!«
»Na, willst du?«
»Für diese Uhr? – Ja, ich will.«
»Gut, nimm sie mit. Aber unter einer Bedingung.«
»Und die wäre?«
»Das hier, das ist eine Uhr für vierzig Franken. Eine Pomona Ever-Go, in stoßfestem Chromgehäuse. Gute Ware, für diesen Preis. Die schickst du der Frau und sagst ihr, du habest sie selber ausgesucht und sie koste genausoviel wie die andere, die sie zurückgeschickt hat. Auf deine Verantwortung!«
»Abgemacht«, flüsterte Demoruz und zählte vierzig Franken auf die Theke – in Münzen, die zum Schluß immer kleiner wurden.
Knüsperli zählte das Geld zweimal nach und warf es in seine Kasse.
»Nur noch eines«, sagte Demoruz. »Ja?«
»Wer bezahlt das Porto?«
Knüsperli überlegte rasch. Er hatte ein gutes Geschäft gemacht und wollte sich großzügig zeigen. »Das Porto teilen wir uns.« Die beiden Männer schüttelten sich die Hand.
Drei Tage später empfing Pia in Paris die umgetauschte Uhr. Sie war im selben Umschlag gekommen, zurück an den Absender adressiert. Die Behauptung, es handele sich um ein Muster ohne Wert, stand noch immer in Pias Handschrift auf dem Umschlag. Die neue Uhr kam ihr verdächtig schäbig vor, und als sie sie aufziehen wollte, fiel die Krone heraus. Sie brachte die Uhr gleich zum Uhrmacher, der ihr sagte, daß es kaum die Mühe lohne, sie zu reparieren, denn die Reparaturen – und es werde nicht bei der einen bleiben – würden teurer sein als der ganze Kaufpreis der Uhr. Pia bat ihn, ihren Wert zu schätzen, aber der Uhrmacher meinte, mit Waren dieser Preisklasse habe er keine Erfahrung. Auf weiteres Drängen sagte er, zwanzig Franken wären bereits übertrieben hoch. Aufgebracht lief Pia nach Hause, und in ihrer Verzweiflung schrieb sie Monsieur Petiton einen ausführlichen Brief, in dem sie ihm die Art des Betrugs erklärte, dem sie zum Opfer gefallen war. Monsieur Petiton las den Brief beim Frühstück – leicht belustigt am Anfang, dann aber mit willkommener Empörung. Um die Wahrheit zu sagen, langweilte sich Petiton dort in den Bergen. Er haßte den Schnee. Was die Sache erträglich machte, war die Art, wie die Frauen sich kleideten, um dem schlüpfrigen Element entgegenzutreten. Monsieur Petiton liebte die flotten Windjacken, in denen das schöne Geschlecht paradierte, und insbesondere die hautengen Apres-Skihosen, welche die weibliche Figur im Sitzen auf so zarte, in Bewegung aber auf so handgreifliche Weise nachzeichneten. Er war einer jener Voyeure, die sich niemals vor einem Schlüsselloch bücken würden. Aber selbst dieser harmlose Zeitvertreib hatte für ihn allmählich seinen Reiz verloren. Telephon und Fernschreiber genügten nicht mehr, um seine Aufmerksamkeit zu fesseln oder seinen Scharfsinn zu fordern. Andererseits hatte sein Beruf ihn wachsam gemacht gegen jede Art von Betrug: Tatsächlich glaubte er oft, Verdachtsmomente zu entdecken, wo gar keine vorlagen. Pias Brief kam ihm also wie gerufen, wie einem schläfrigen Hund ein unerwarteter Knochen. Er beschloß, sich des Problems anzunehmen, und mobilisierte all seine vielseitige und bittere Erfahrung mit menschlicher Falschheit, um sich dieses delikaten Auftrags zu entledigen.
Gegen Mittag betrat er den Kaufladen, wo Madame Knüsperli ihrem Gatten zur Hand ging.
Knüsperli ließ ein paar andere Kunden stehen und dienerte lächelnd vor seinem prominenten Gast. »Nicht oft haben wir die Ehre, Sie
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