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Gott und die Staatlichen Eisenbahnen

Gott und die Staatlichen Eisenbahnen

Titel: Gott und die Staatlichen Eisenbahnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Ustinov
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Transport beschädigt worden. Was blieb mir also übrig? Ich kann mir nicht leisten, Geld zu verschenken. Ich sagte ihm also, er solle dem Dienstmädchen eine andere Uhr aussuchen und sich mit ihr einigen. Immerhin hatte sie die Uhr an seine Adresse geschickt. Monsieur Demoruz wählte eine Pomona Ever-Go, genau das richtige für die Dame, wie er meinte. Er bezahlte sie auch. Beide Uhren wurden korrekt bezahlt, und für mich ist damit dieses Kapitel abgeschlossen. Hier kommen dauernd Leute in mein Geschäft und kaufen Sachen – und solange sie bezahlen, geht es mich nichts an, was mit den Waren geschieht, sobald sie den Laden verlassen haben. Ich bin doch kein Wohltätigkeitsverein!«
    »Sehr schön«, sagte Monsieur Petiton mit ruhiger Stimme. »Das ist Ihre Auffassung. Was mich betrifft, so kann ich nur sagen, daß irgend jemand den Differenzbetrag zwischen achtzehn und einhundertachtzig Franken bezahlen muß. Wenn wir uns das nächste Mal sehen, werde ich in Begleitung des Gendarmen kommen.«
    »Die Uhr kostete vierzig Franken, Monsieur, nicht achtzehn!«
    »Ich halte mich lieber an das Urteil eines renommierten Uhrmachers, vor allem, da Sie anscheinend nicht in der Lage sind, sich den offiziellen Pomona-Katalog zu verschaffen. Bon appetit!«
    »Oh, verfluchter Demoruz!« brüllte Knüsperli, nachdem Petiton gegangen war. Doch sein Wutausbruch rettete ihn nicht vor der höchst demütigenden Moralpredigt seiner Gattin.
    Petiton speiste im Skiklub zu Mittag und beobachtete die eleganten Frauen, die an ihm vorbeidefilierten. Nach dem Essen kehrte er in sein Chalet zurück, da er wußte, daß Madame Demoruz dort mit dem Putzlappen am Werk war. »Der Herr Gemahl besitzt eine schöne neue Uhr, wie ich höre?« sagte er, scheinbar ins Studium des »Figaro« vertieft.
    »Eine neue Uhr, Monsieur? Wirklich, ich habe gar nicht bemerkt.«
    »Ah, kommen Sie, Madame Demoruz. Gewiß haben Sie es bemerkt. So sorgfältig, wie Sie jedes Stäubchen in diesem Chalet aufwischen, bin ich mir sicher, daß Ihnen nichts entgeht.«
    »Mag sein, daß er eine Uhr hat. Aber sie ist nicht neu«, beharrte Madame Demoruz.
    »Nicht neu? Wie alt ist sie denn? Zum Beispiel ein paar Wochen?«
    »Worauf wollen Sie hinaus, Monsieur?«
    »Nur auf dies, Madame Demoruz«, antwortete er und schaute ihr direkt und beinah freundlich in die Augen. »Pia hat Ihnen eine Uhr geschickt, die sie für ihren Neffen kaufte und die, wie sich zeigte, ungeeignet war. Ist das nicht richtig?«
    »Ja, das stimmt.«
    »Vielleicht wären Sie so freundlich, den Rest der Geschichte selbst zu erzählen?«
    »Wieso? Was ist denn passiert?«
    »Das will ich Ihnen gerne erzählen, wenn Sie mit Ihrer Geschichte fertig sind.«
    Madame Demoruz zuckte mit den Schultern. Gewiß, sie benahm sich weniger verdächtig als Monsieur Knüsperli. Aber immerhin war sie eine Frau, überlegte Monsieur Petiton. Und wenn es schon nicht genügend Schönheit gab auf der Welt, um sie auf alle Töchter Evas gerecht zu verteilen, so war die Kunst des Lügens doch ein unerschöpflich sprudelnder Quell.
    »Als Pia mir die Uhr sandte«, berichtete Madame Demoruz, »übergab ich sie selbstverständlich meinem Mann. Ich habe keine Zeit für etwas anderes als meine Arbeit. Am Abend sah ich, daß mein Mann diese Uhr am Handgelenk trug, und stellte ihn zur Rede. >Ach<, sagte mein Mann, >Knüsperli hat sich geweigert, die Uhr zurückzunehmend – >Oh<, sagte ich, >er hat sie dir geschenkt?< – >Nein<, sagte er, >sie ist ja bezahlt. Knüsperli weiß nichts damit anzufangen, weil er sie ja nicht zurücknehmen will. Also muß irgend jemand sie behalten.< – >Na ja<, sagte ich, >Pia hat die Uhr doch bezahlt, darum sollte sie sie behalten.< – >Aber sie will sie nicht haben<, sagte mein Mann. >So steht es doch in ihrem Brief.< – >Richtig<, sagte ich, >aber sie wollte eine andere Uhr haben. < – >Ich weiß<, sagte mein Mann, >und ich in meiner Herzensgüte habe ihr eine gekauft. Hat mich nur vierzig Franken gekostet.< – >Vierzig Franken?< sagte ich. – >Nun ja, dreißig<, sagte er. – >Es gibt keine anständige Uhr für dreißig Franken!< sagte ich. – >Nun ja, vierzig<, sagte er. Also, Monsieur, er hätte doch gar nicht nötig gehabt, für Pia etwas zu kaufen. Er tat es, wie gesagt, aus reiner Herzensgüte. Er wollte nicht, daß sie mit leeren Händen dasteht, wo sie doch Ausländerin ist, Monsieur, und keine Schweizerin.«
    »Kurz, Sie behaupten, Madame Demoruz, daß Monsieur Knüsperli sich weigerte,

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