Gott und die Staatlichen Eisenbahnen
die Uhr zurückzunehmen?«
»Richtig, so hat mein Mann es mir erzählt«, sagte Madame Demoruz, und ihre Unterlippe zitterte in vorschnellem Zorn.
»Monsieur Knüsperli aber behauptet, daß Ihr Mann sich weigerte, die Uhr herzugeben.«
»Oh, oh«, zeterte Madame Demoruz, wobei sie nach einer Tonlage suchte, die der Ungeheuerlichkeit des Vorwurfs angemessen wäre.
»Ich will niemanden als Lügner bezichtigen«, sagte Monsieur Petiton gelassen. »Mir geht es nur um die Rückerstattung einer Summe, die ich auf einhundertzweiundsechzig Franken veranschlage. Heute nachmittag gehe ich auf die Gendarmerie.«
Monsieur Demoruz befand sich bei Monsieur Knüsperli, als Monsieur Petiton den Laden betrat – zusammen mit Broglio, dem Gendarm. Er war ein Cousin von Knüsperli und ein Neffe von Demoruz und hatte allen Grund, beiden zu mißtrauen. Madame Demoruz war sofort nach Hause gelaufen und hatte ihrem Mann berichtet, was Monsieur Petiton gesagt hatte. Monsieur Demoruz, der werktags immer zu Hause anzutreffen war, raffte sich auf und stürmte, brüllend vor Wut, ins Tal. Er und Knüsperli, auf dem Gipfelpunkt ihres Zanks, erstarrten jetzt zu Statuen: Beide begrüßten den Gendarmen mit einem mürrischen »Adieu, Jules«. Der Gendarm nahm sein Käppi ab, um den Familienzwist zu schlichten. »Soll ich anfangen?« fragte Monsieur Petiton. »Ich habe die Fakten zur Kenntnis genommen, Monsieur«, sagte der Gendarm.
»Sie kennen zwei unterschiedliche Versionen, Monsieur le gendarme. Unsere Aufgabe – Ihre Aufgabe – ist es, die Fakten zu entwirren«, korrigierte ihn Monsieur Petiton. »Ganz wie Sie meinen, Monsieur«, sagte der Gendarm, immer bemüht, seine Begriffsstutzigkeit hinter gespielter Langeweile zu verbergen. Umständlich kramte er seinen Block hervor, benetzte den Finger und fand, nach ausgiebiger Suche, die richtige Stelle auf einem leeren Blatt. »Wo befindet sich die Uhr?« fragte er. »Welche Uhr?« fragte Knüsperli.
»Soweit ich weiß, handelt es sich bei dieser Auseinandersetzung um eine Uhr«, sagte der Gendarm. »Um zwei Uhren.«
»Zwei Uhren«, pflichtete Monsieur Demoruz eifrig bei. »Zwei Uhren?« – Der Gendarm musterte Monsieur Petiton, als habe dieser die Unwahrheit gesprochen. »Wenn es zwei Uhren sind, könnte eine höhere Dienststelle zuständig sein«, erklärte er.
»Ich habe Ihnen die ganze Geschichte erzählt, auf Ihrem Revier«, sagte Monsieur Petiton mit ausgesuchter Geduld. »Ich weiß, Monsieur. Ich bin nicht schwer von Begriff, wissen Sie.«
»Gewiß nicht.«
»Sie erklärten, daß eine Italienerin, Chiantella Pia, in Ihren Diensten und wohnhaft unter der Adresse 91, Avenue Foch, Paris, Departement Seine, Frankreich, eine Uhr erworben habe – und zwar eine Uhr [betonte er] – im Geschäft des Herrn Knüsperli, Heinrich, für den Preis von einhundertachtzig Franken – «
»Schweizer Franken«, unterbrach Monsieur Petiton. »Da wir uns auf Schweizer Boden befinden, Monsieur, gelten Franken als Schweizer Franken, sofern nicht ausdrücklich französische Franken gemeint sind. Nach Empfang dieser Uhr beschloß besagte Chiantella Pia, daß diese nicht geeignet sei, und übersandte sie an Madame Demoruz, Irene, wohnhaft allhier im Chalet Souriante Colline, mit der Bitte, die Uhr an sich zu nehmen und sie gegen eine andere Uhr gleichen oder geringeren Wertes – und ohne Weckvorrichtung – umzutauschen. Wie ferner verlautete, erhielt besagte Chiantella Pia auf dem Tauschwege eine Uhr mit Chromgehäuse, angeblich eine Pomotia Ever-Go, die von der Firma Augier, Dupont et Fils, 118, Boulevard de la Victoire in Paris, auf einen Wert von ungefähr zwanzig französischen Franken geschätzt wurde, ohne eine Rückerstattung der Preisdifferenz. Besagte Uhr erwies sich beim Aufziehen des Uhrwerks als defekt, und die Krone fiel zu Boden. Ist das korrekt?«
»Das ist korrekt«, bestätigte Monsieur Petiton. »Folglich handelt es sich nur um eine Uhr«, sagte der Gendarm. »Denn es entsprach nicht der Absicht von Mademoiselle Chiantella Pia, mehr als eine Uhr zu erwerben.«
»Sie konnte nicht damit rechnen, eine Uhr um den Preis einer anderen, teureren Uhr zu erhalten. Daher handelt es sich in diesem Fall um zwei Uhren«, widersprach Monsieur Petiton.
»Rechnete sie damit, zwei Uhren zu erhalten?« erkundigte sich der Gendarm. »Natürlich nicht.«
»Folglich handelt es sich in diesem Falle um eine Uhr«, beharrte er. »Und Sie verlangen, Monsieur, daß die Chiantella Pia den korrekten Betrag
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